Man kann sich das IoT als die intelligente Version einer Machine-to-Machine-(M2M)-Kommunikation vorstellen, die mit einer sensorbasierten Datenerfassung und einer prozessorbasierten Entscheidungsfindung gekoppelt ist. Keith Nosbusch, CEO von Rockwell Automation, spricht von Connected Enterprises, die uns in Zukunft helfen werden, unseren Lebensstandard zu sichern und weiter zu verbessern – in Anbetracht der zu erwartenden Zunahme der Weltbevölkerung auf 7,6 Milliarden bis 2020 gewiss eine Herausforderung.
Dazu müssen die Industrieländer die globale Produktionskapazität in allen Bereichen ausbauen. Man spricht hier von Investitionen in Billionenhöhe! Innerhalb des IoT-Ökosystems sollen MCUs und andere Verarbeitungssysteme riesige Mengen an erfassten Informationen lernen und sortieren, um sinnvolle Ergebnisse entweder anderen Systeme oder den Menschen zur Verfügung zu stellen.
Riesige Anforderungen an Elektronikindustrie
Auch wenn langfristige Voraussagen erhebliche Abweichungen aufweisen, ist man generell der Meinung, dass das IoT bisher nicht bekannte Anforderungen an die Elektronikindustrie stellen wird. Das IoT ist dabei, für IP-Anbieter, Silizium-Foundries und Softwaredesigner in den kommenden Jahren eine Tür zu neuen Produktentwicklungen für in der Tat Milliarden von verbundenen Geräten zu öffnen.
Laut einer aktuellen Prognose des US-Netzwerkspezialisten Cisco wird sich die Zahl aller am Internet hängenden Geräte innerhalb von nur fünf Jahren verdoppeln: So soll das Internet der Dinge im Jahr 2020 insgesamt 50 Milliarden Smartphones, PCs, Sensoren und sonstige Geräte umfassen. 2015 beträgt die entsprechende Zahl gerade mal 25 Milliarden. Bandbreite gibt es bald genug. Hard- und Software ist verfügbar. Ein Thema ist die vorhandenen Systeme, Maschinen, Anlagen usw. IoT-tauglich zu machen und neue Systeme, Geräte, Maschinen IoT-tauglich zu bauen.
Der Markt – die Chancen
Alle sprechen davon, doch wo sind die Umsetzungen? Marco Guidali, Projektleiter für Steuerungs- und Messtechnikentwicklung bei V-Zug, sieht in IoT für sein Unternehmen grosse Chancen. Seinen Worten nach möchte V-Zug in diesem Markt aktiv dabei sein und den Kunden entsprechende Geräte anbieten. Eric Roth beschäftigt sich bei Zühlke mit industrieller und Embedded-Software. Seine Business-Unit baut Maschinensteuerungen, Geräte-Software und vor allem Embedded-basierte User-Interfaces. Immer mehr Kunden interessieren sich für das Thema IoT bzw. Industrie 4.0 – Zühlke Engineering ist parat. Der Physiker Johannes Gassner jagte Elementarteilchen im CERN, wollte dann Erfinder werden und leitet heute bei SCS das Department «Measure and Decide», wo sein Team und er unter anderem spezielle Algorithmen für Entscheidungslogiken entwickeln. Die Themen Industrie 4.0 bzw. IoT kommen seinen Worten nach immer häufiger in Kundenanfragen vor. Den ersten Kurzstatements nach bieten diese Themen echte Chancen für die Schweizer Industrie.
Begriffserklärung – was steckt hinter Industrie 4.0, IoT und Cloud?
«Ich sehe hinter dem Begriff Industrie 4.0 eine Art Automatisierung in der Fertigungsindustrie, hin zu einer optimierten, effektiven Logistik» sagt Marco Guidali, und ergänzt sofort, «aber ich bin kein Experte auf diesem Gebiet.» Beim Thema IoT ist das Statement des Elektroingenieurs klar: «Es ist die Ausstattung möglichst vieler elektrischer Geräte mit der Fähigkeit via Internet zu kommunizieren – nicht nur mit den Menschen, sondern auch untereinander.» Als Stichworte nennt er Smart Grids, Smart Home, Smart Metering. Nutzer dieser Lösungen sieht Guidali im Privaten wie im Business – Parkplatzbewirtschaftung, Fernüberwachung von Systemen et cetera. Unter Cloud versteht der Entwickler das Ablegen der Daten im Internet – was prinzipiell zwar interessant und effektiv ist, aber in letzter Zeit speziell wegen der NSA-Affäre mit gewisser Skepsis gesehen wird. «Diese Abhörskandale haben den User aufgeschreckt – Vorsicht prägt momentan das Verhalten.» Seiner Meinung nach ist es für den Betroffenen sehr schwierig abzuschätzen, ob die persönlichen Daten sicher sind oder nicht – da besteht laut Guidali auf jeden Fall Aufklärungsbedarf. «Schon beim Gerätedesign steht die Sicherheit daher im Fokus.»
Johannes Gassner: ein Schlagwort der deutschen Regierung
«Für mich ist Industrie 4.0 ein Schlagwort, einfach ein Marketingkonzept der deutschen Regierung», sagt Johannes Gassner. Die Idee dahinter sei die Bündelung der technologischen Trends und daraus eine Vision zu entwickeln, wie das produzierende Gewerbe in Zukunft aussehen könnte. Der Physiker findet Industrie 4.0 eine gute Sache, die Branche braucht Werbung, «Industrie 4.0 tut Europa, tut der Schweiz gut.» Technologisch sei es sehr interessant, da jedes Gerät eine eigene IP-Adresse hat und so individuell abgefragt bzw. kontrolliert werden kann. In der Cloud sieht Gassner die natürliche Weiterentwicklung der IT-Systeme. Er sieht darin ganz neue Geschäftsmodelle, da die Cloud den Zugriff auf die Daten von überall her zulässt – Stichwort «Service of Everything». «Da liegt grosses Potenzial drinnen. Sehr schön finde ich den Zusammenschluss der Akademia mit der Industrie und dass sich daraus via Referenzprojekte ein echter Markt auftut»
Zum Begriff IoT ergänzt Gassner, dass die Industrie dort durch Normen wie im Medicalbereich den Markt abschotten und kontrollieren könne. «Wie und wie schnell sich IoT in der Industrie durchsetzen wird, hängt letztlich vom Mehrwert ab – ich bin ein eher offener Mensch, aber nicht jeder Seifenspender muss eine IP-Nummer haben.»
Eric Roth: Industrie 4.0 ist Umsetzung des IoT in die Produktion
«Für mich ist Industrie 4.0 die Anwendung bzw. Umsetzung des IoT in der industriellen Produktion», meint Eric Roth. «Es ist eine Instanz in der Fertigungsindustrie, wo man diese IoT-Konzepte anwendet. Es gibt dort nützliche Themen, wie die vertikale Integration. Ich meine damit die Verknüpfung der Produktions-IT mit der Unternehmens-IT.» Als Hype sieht er die Flexibilisierung der Maschinen, wo man diese innert kürzester Frist neu konfigurieren kann – wie schnell das kommt, kann er nicht sagen. Was wirklich dahinter steckt, wird man seiner Meinung nach noch sehen. Roth: «Vernetzung ist für mich der Überbegriff unseres heutigen Themas. Und die Cloud ist in diesem Kontext eine Technologie, die heute Standard ist – viele industrielle Firmen setzen diese Art der Datenspeicherung bereits erfolgreich ein.» Von der Reife her sieht Roth in Industrie 4.0 einen Hype, der sich entweder durchsetzt oder wieder verschwindet; IoT ist ein alter Begriff – er geht zurück auf Kevin Ashton, der ihn erstmalig 1999 erwähnte, und Cloud sei ein Begriff, den die Industrie seit rund fünf Jahren standardmässig einsetzt. «Über allem steht der Wunsch der Industrie nach Vernetzung, mit dem Ziel Kosten zu sparen.»
Hoher Ausbildungsstand in der Schweiz ist sehr wertvoll
Bei allen diese Themen stehen aufwendige Software und Simulationen dahinter, da sind sich alle in der Runde einig. Es ist höchst anspruchsvoll, Algorithmen zu programmieren, mit denen der Kunde einfach und sicher seine Maschinen via Leitstand individuell konfigurieren kann. Die Frage lautet: Wie bilde ich diese Realität, den Prozess in ein leistungsstarkes Datenmodell ab. Und darin liegt eine der Stärken des Werkplatzes Schweiz, denn das Ausbildungsniveau ist hier sehr hoch. «In der Kompetenz speziell in der vertikalen Integration liegen die Chancen für uns als typisches KMU-Land, hier können wir uns im internationalen Vergleich profilieren», ist sich Johannes Gassner sicher, «das ist ein grosser Vorteil für uns.» Als Beispiel nennt er den Medizinmarkt, wo die Schweiz gemäss jüngstem Swissmem-Zahlen Waren im Wert von 9,3 Mrd. Franken exportiert – gefolgt von den Mess-, Prüf- und Regelapparaten mit 3,7 Mrd. Franken.
Industrie 4.0 in der Praxis
Auf die spannende Frage, ob es denn konkrete Industrie 4.0-Produkte aus der heimischen Maschinenproduktion gibt, antwortet Eric Roth: «Industrie 4.0 interessiert speziell diejenigen Schweizer Maschinenbauer, die für den deutschen Markt produzieren. Diese Firmen fragen sich, was sie tun müssen, um in Deutschland Erfolg zu haben – gibt es Standards, Vorschriften? Ich muss hier die Antwort schuldig bleiben.» Ob es in Deutschland entsprechende Regeln gibt? Die Experten meinten eher nein, obwohl Deutschland natürlich viel näher dran sei am Thema.
Standardisierung ist ein Muss für Industrie 4.0, darüber ist sich die Gesprächsrunde mehrheitlich einig. Wenn auch Johannes Gassner meint, dass es bei Industrie 4.0 ähnlich läuft wie beim iPhone – der Marktleader bestimmt die Standards. Wer eine App programmieren will, muss nach dessen Regeln spielen: «Ich kenne mich mit den Normen nicht so gut aus – ich weiss nur, dass die Deutschen Weltmeister im Normieren sind. Ich habe das Gefühl, dass dieses sehr komplexe Thema nicht zu standardisieren ist. Wenn wir auf offizielle Normen warten, drehen wir uns im Kreis.» Statt Normen von IEEE oder IEC können Normen auch vom Markt kommen. Aber es braucht Standards. Der mobile Markt wäre nicht dort wo er heute ist, gäbe es nicht die zwei, drei Marktführer, die die Standards definieren.
Ganz anders sieht die Situation im Hausgerätemarkt aus. Dort gibt es zehn, zwanzig dominierende Anbieter. Will man Geräte unterschiedlicher Anbieter ins Heimnetzwerk einbinden, müsse dies bereits im obersten Level, im Befehlssatz passieren, betont Guidali: «Es gibt zwar Normengremien, die sich dieser Sache annehmen, aber fertige Normen gibt es noch keine.»
V-Zug bringt anfangs 2015 eine IoT-taugliche Waschmaschine auf den Markt. Erfolg werden diese Systeme laut Marco Guidali erst haben, wenn die Heimnetzwerke auf Standards basieren und der Endkunde ganz einfach sein IoT-taugliches System «einstecken» kann: «Es muss so einfach werden, wie wenn Sie den Stecker ihres Radios in die Steckdose stecken.» Der Erfolg eines Systems hängt nach Meinung aller von Standards ab. Ebenso sehen die Anwesenden, dass der Eintritt von Google in den Smart-Home-Markt den kleinen Anbietern gute Chancen bietet. «Der Riese Google setzt im Prinzip den Standard für alle», sieht der V-Zug-Entwickler eher positiv. Die Geräte, die V-Zug in Kürze in Markt bringt, basieren auf iOS und Android: «Bei unseren Geräten kann der User seine eigene App programmieren, wir bieten eine offene Kommunikationsschnittstelle in unseren Geräten an.»
Das Thema Sicherheit ist nach wie vor heiss
Doch wie sieht es mit der Sicherheit aus? Kann der «böse» Nachbar den Backofen zum Laufen bringen und dann das Haus abbrennen oder den Herd abstellen? V-Zug unterbindet dies gleich zweifach. Zum einen lassen sich die Geräte nur von Hand in Betrieb nehmen, zum anderen funktionieren diese Apps laut Guidali nur innerhalb der eigenen vier Wände. «Den Schritt in die Cloud haben wir noch nicht gewagt – es ist sicherheitstechnisch sehr anspruchsvoll, wenn man von überall her auf unsere Geräte zugreifen kann. Wir haben zu wenig Kompetenz in diesem Thema. Prinzipiell sollten meiner Meinung nach die Vernetzung der Systeme und Geräte Sinn machen – nicht alleine nur machbar sein.»
Neben der Sicherheit ist der Nutzen der Vernetzung ein grosses Thema. Wenn man nur seinem technischen Ehrgeiz folgt, schadet man der Vernetzungsidee: «Es sollte der Entlastung des Users dienen», betont Guidali. Im Bereich Service, Wartung, Diagnose sieht der Fachmann grosse Chancen – wenn man weiss, wo ein Gerät steht und wo Probleme liegen, lässt sich Geld sparen.
Das Schwierige an der Vernetzung ist die Tatsache, dass Ursache und Wirkung oft weit auseinander passieren. Johannes Gassner: «Einfache Merkmale sind leicht aus der Ferne zu kontrollieren aber schleichende Prozesse, wie eine langsam nachlassende Dichtung, lassen sich elektronisch nur mit sehr viel Sensorik und Algorithmen – sprich mit einem sehr grossen Aufwand – sinnvoll vernetzen.»
Ein weiterer zentraler Punkt beim Vernetzungsthema ist das Aufkommen der Big Data. Eric Roth: «Im Datensammeln sehe ich schon einige Benefits für V-Zug beispielsweise. Je mehr Informationen über die Geräte vorliegen, desto einfacher lassen sich Optimierungen in der Produktion einfliessen. Was es braucht sind Datenexperten, die die relevanten Daten in den Datenfriedhöfen auch finden.»
Das Stichwort heisst hier Machine-Learning. Bei Turbinen zum Beispiel fallen Terabyte von Daten an, doch welche sind die, die über das Go oder No-Go der Turbine entscheiden? Johannes Gassner: «Es geht hier um die berühmte Nadel im Heuhaufen.» Trivial sind diese Analysen nicht, es braucht sehr intelligente, erfahrene Fachleute, die anhand aufwendigster Datenmodelle und mathematischer Formeln die richtigen Ergebnisse erzielen.
Mehrere Gründe für den noch sehr kleinen Markt
Doch weshalb kommen so wenige IoT-taugliche Geräte auf den Markt? Ist es der (Mehr-)Preis? Ist es die fehlende Technik? Gibt es andere Gründe? Marco Guidali: «Bereits 2005 brachten wir IoT-taugliche Waschmaschinen auf den Markt, diese liefen über den KNX-Bus. Damals kostete dieses Feature rund 1000 Franken mehr – ohne das dafür nötige, auch recht teure KNX-Netz. Diese Maschine kauften damals nur sehr technikaffine Konsumenten.» Heute schliesst man die V-Zug-Geräte wie einen PC via TCP/IP-Kabel an – das ist sehr einfach und viel günstiger, wie der Entwickler weiss: «So eine IoT-Waschmaschine wird circa 150, 180 Franken mehr kosten – bei einem Basispreis von 3000 bis 4000 Franken sehr moderat.»
Und wie sieht die Situation mit Blick auf Industrie 4.0 aus? Auf der HMI vor zwei Jahren sprachen alle von Industrie 4.0, man konnte meinen, dass es «morgen» bereits Standard und auf breiter Basis verfügbar sei. Weit gefehlt. Es ist, wie bereits mehrfach erwähnt, ein sehr anspruchsvolles Unterfangen. Es brauche aber Fachleute von hoher Qualität und mit sehr viel Fachwissen, so Gassner. Als Beispiel brachte er den Rückspiegel in einem PW. Früher handelte es sich dabei um einen Metallrahmen mit einem Spiegelglas drinnen. Heutige Rückspiegel sind sensorgesteuert, sind intelligent und erkennen Fussgänger: «Die mechanische Werkstatt muss innert kurzer Zeit zur Hightech-Schmiede mutieren oder externe Hilfe beiziehen. Es braucht Know-how und spezielles Fachwissen.»
Ein Hightech-Arbeitsplatz generiert bis zu 15 Servicestellen
Eine praktisch unlösbare Herausforderung. Fachkräfte sind Mangelware, wobei wir hier in Europa und speziell in der Schweiz noch gut dastehen. «Aus den USA weiss man, dass ein Arbeitsplatz im Hightech-Bereich bis zu 15 Arbeitsplätze im Service generiert, und an diesem Hebel müssen wir ansetzen. Wir müssen Werbung machen für die herstellenden Gewerbe. Dort könnte die Politik mit einer Ausbildungsoffensive der Wirtschaft einen sehr guten Dienst erweisen. Naturwissenschaftler, Ingenieure, Mathematiker, Chemiker usw. – diese Berufe sichern uns unsere Zukunft und Unabhängigkeit.» Für unsere Industrie und Wirtschaft sei es laut Gassner besser und wertvoller, wenn junge Menschen sich diesen anspruchsvollen technischen Aufgaben stellen würden, als auf dem Finanzplatz mit einer Überqualifikation zu enden.
Wenn ein traditioneller, mehrheitlich kleiner Schweizer Maschinenbauer in die Vernetzung einsteigt, ist das zwar technologisch keine Challenge, aber für die betroffene Firma ist es eine ganz neue Aufgabe. Eric Roth: «Es braucht Skills und Erfahrung, die bei den meisten KMU nicht vorliegen und die sie sich auch wegen ein, zwei Maschinen nicht leisten können aufzubauen. Die Frage, die sich nun stellt: Wie bringt diese Firma nun ihre Maschine in die Cloud? Eine denkbare Antwort könnte ein Brain-Pool sein, den man bei Bedarf anzapfen kann. Die Swisscom bietet speziell für KMU solche IoT-Lösungen an, wie Marco Guidali weiss, «sie rührt ordentlich die Werbetrommel, um KMU auf dem Weg in die Cloud, in die Industrie 4.0, zu supporten.»
Die Daten gehören dem Besitzer
Interessant ist auch die Frage, wie es aussieht mit der Vernetzung der Maschinen: der Hersteller, der Betreiber, der Produktionsleiter – alle wollen aktuelle Daten – der eine aus Maintenance-Gründen, der andere will den Durchsatz wissen usw. Doch das ist ein sehr sensibles Thema, so Roth: «Der Produktionsleiter will sicher nicht, dass die ganze Welt weiss, wie effizient oder ineffizient seine Ablage arbeitet. Auch will der Besitzer der Anlage nicht, dass der Hersteller diese Daten bekommt – die Vernetzung ist machbar, aber wem diese Daten gehören – das ist ein sehr sensibles Thema.» Einig ist sich die Runde, dass die Daten dem Besitzer gehören, was in der Regel auch so realisiert wird – und nur er alleine entscheidet, was mit den Daten geschieht. «Interessant beim Thema Wem gehören die Daten, ist das speziell in der Investitionsgüterindustrie immer häufiger anzutreffende Leasing. Hier gehört die Maschine faktisch der Bank, ergo auch die Daten, der Betreiber will diese aber für sich behalten – aus Konkurrenzgründen usw.», weiss Eric Roth.
Security hat die Schweizer Maschinenindustrie noch nicht erreicht
«Wir realisieren rund die Hälfte unseres Umsatzes in Banken und Versicherungen – diese sind der Industrie in Sachen Security Jahre voraus», sagt Eric Roth, «die Industrie muss das noch lernen, aber in fünf Jahren ist diese auch so weit. Oft müssen wir in der Industrie die Awareness dafür erst schaffen.» Heute sind die meisten Maschinen singuläre, isolierte Systeme, ohne Vernetzung. Sobald Industrie 4.0 oder IoT kommen, wird jeder Maschinenbauer sich dem Thema Security annehmen, davon sind die Gesprächsteilnehmer überzeugt. Der Anteil Kunden, der heute bereits ein Sicherheitskonzept in einem Projekt mitbringt, nimmt stetig zu, wie Eric Roth ausführt. Marco Guidali erklärt, dass die derzeitigen V-Zug-Lösungen auf Push-Nachrichten beruhen, die Systeme sind nicht in der Cloud: «Jetzt kommt eine SMS mit der Info, dass die Wäsche fertig ist, oder der Wasserhahn zu ist. Eine Cloud-Lösung ist was ganz anderes, da bräuchten wir spezielle Cloud-Server, speziell Sicherheitsmechanismen – das würde weitere Kosten genieren.» Doch der Austausch der Haustechnik – Storen, Heizung, Herd, Kühlschrank – via Cloud mit dem Besitzer wird kommen, da ist sich Guidali sicher. Es sei eine Frage der Zeit, der Marktanforderungen, des erkennbaren Nutzens und des Know-hows. Auch hier ist Security das zentrale Thema.
Blackout und Resync sind die Schreckgespenste der Energieversorger
Die Security-Anbieter sagen, sie hätten alles im Griff. «Da würde mich die Meinung eines Hackers oder Sicherheitsexperten interessieren», so Marco Guidali, «wie sicher ist sicher – kein Hauseigentümer möchte, dass ein Einbrecher in seine Haustechnik eingreift und sich so ganz einfach Zutritt verschafft, während der Besitzer im Urlaub weilt.» Nicht vorstellen darf man sich, wenn kriminelle Hacker auf einmal alle Waschmaschinen, Tumbler, Backofen und Heizungen in der Schweiz via Cloud anstellen würden – ein Blackout des Stromnetzes wäre sicher. Solche Gedanken veranlasste V-Zug, vorerst den Zugriff auf die Haushaltsgeräte nur innerhalb der Wohnung zuzulassen. Neben dem Blackout ist auch der Resync eines nationalen Stromnetzes eine echte Herausforderung – diese Situation sei sehr schön beschrieben in dem Besteller «Blackout» von Marc Elsberg, wie Gassner ausführt: «In der Energiebranche ist der Resync das Schreckgespenst – die Vernetzung bietet viel, man braucht sie – Stichwort Smart Grids – aber sie bietet viele Risiken, die man nicht unterschätzen darf.»
Sind die Schweizer KMU überfordert?
Es stellt sich anhand er Komplexität des Themas die Frage, ob die Schweizer KMU überhaupt die richtigen Partner sind – ist es zu teuer, zu schwierig, oder weshalb gibt es praktisch keine Schweizer IoT-Produkte. Eric Roth: «Schweizer KMU sind eher konservativ, sie sehen noch keinen direkten Nutzen und einfach so mal 20 Prozent der Arbeitszeit in ein ergebnisoffenes IoT-Projekt investieren, ist nicht Schweiz-typisch.» Nur wenn bei jedem Projekt der Benefit klar dargelegt werden kann wird es realisiert. Der V-Zug-Mitarbeiter sieht in dem Vernetzungsthema auch eine wirtschaftliche Sache – derzeit investiert der Gerätehersteller in diese IoT-Lösungen, doch noch gibt es keinen ROI. «Noch geht es ums Image – aber wenn die Post abgeht, wollen wir an der Spitze mit dabei sein.»
Die Frage ist, sind es die Grossen oder die Kleinen, die das Thema pushen – es brauche eine gewisse Grösse, meint Gassner, um das Thema zeitnah umzusetzen. Der Vorteil der KMU sind die flachen Hierarchien. «Innovationen kommen aus der Technik und die kleinen Firmen haben die Flexibilität rasch zu agieren.» Davon ist auch Guidali überzeugt. Ein Ansatz, das Thema beschleunigt in die KMU-Welt zu portieren, könnte auch durch Zukäufe geschehen. Die meist kapitalkräftigen, eigentümergeführten KMU könnten durch den Zukauf von Startups sehr schnell das nötige Vernetzungswissen akquirieren. Johannes Gassner: «In den USA ist dieses Vorgehen ein Klassiker – ich kaufe Know-how und muss so die Fehler nicht nochmals selbst machen.» Die lokale Wirtschaft muss schneller reagieren – 30 Jahre lang die gleiche Maschine bauen und erfolgreich sein, sei vorbei, da ist sich der Experte sicher.
Warum gibt es so wenig vernetzte Geräte?
Am Ende der spannenden, interessanten Gesprächsrunde stellte sich die Frage: Warum gibt es noch so wenig vernetzte Geräte in der Schweiz?
Marco Guidali: «Es ist noch eine neue Technologie, die Firmen brauchen Zeit, diese Technik in ihre Systeme zu integrieren. Auch fehlen bisher klare Anforderungen vom Markt. Viele Konsumenten wissen noch gar nicht, was sie mit einem vernetzten Herd machen sollen – sie sehen noch keinen Nutzen.»
Johannes Gassner: «Die Unwissenheit überwiegt die Bedürfnisse, damit ist auch eine gewisse Angst verbunden. Erst wenn der Konsument den Nutzen sieht und spürt, wird sich diese Situation ändern.»
Eric Roth: «Weil es die Vertreter der Industrie 4.0, des IoT usw. noch nicht geschafft haben, den Kundenutzen klar herauszustellen – dazu zählt auch das zentrale Thema Security.» «
Fazit
Industrie 4.0, IoT und Cloud – die Vernetzung der Maschinen untereinander und die Verfügbarkeit der erfassten Daten in der Cloud sind wegen der sehr anspruchsvollen Thematik eine Chance für die Schweizer Industrie. Es fehlen aber noch Standards und Security ist extrem wichtig. Sobald der Kundennutzen ersichtlich ist, werden sich für den Werkplatz Schweiz neue Geschäftfelder mit neuen Arbeitsplätzen auftun.
Die Experten
Dr. Johannes Gassner, Departement Head Measure & Decide, Supercomputing Systems AG
Dr. Marco Guidali, Projektleiter, V-ZUG AG
Dr. Eric Roth, Business Unit Manager, Zühlke Engineering AG
Laufenburger Gespräche
Mit den «Laufenburger Gesprächen» bietet Polyscope eine Plattform, um interessante, brisante oder aktuelle Themen im Expertenkreis zu diskutieren. Diese Gesprächsrunden finden am Verlagssitz in Laufenburg statt. Falls wir eine Thema genauer unter die Lupe nehmen sollen – eine Mail an dboehler@polyscope.ch genügt und wir prüfen Ihren Vorschlag. ((13-FO-P14-Laufenburger-Logo))
Die Polyscope-Redaktion
Auf die Besucher und Besucherinnen warteten auf der DAC fast 300 Präsentationen und Vorträge, die Elektronikdesign-Experten in 29 Themengruppen zusammengestellt haben. Die meisten Vorträge betrafen Low-Power-Designs, Embedded-Hard- und Software, Cross-Layer-Sicherheit, neue Design- und Transistortechnologien, Chipverbindungen, Systeme und Tools für eine heterogene Datenverarbeitung, Non-mainline/Non-functional-Verifikation sowie die Datengewinnung für die EDA.
Breit gefächertes Konferenzprogramm
Eines war klar erkennbar: Giga-Scale-Designs bedeuten SoCs mit einer Super-Integration im Bereich von mehr als 3 Mrd. Transistoren in Verbindung mit 16/14-nm-FinFET-Prozesstechnologien, die sich schnell in Richtung 10 nm bewegen. Dieses «Paket» verursacht den EDA-Anbietern, den Chipdesignern und den Foundries riesige Probleme, die sie, wenn überhaupt, nur gemeinsam lösen können. Spezielle Themen waren dieses Jahr EDA, IP, Embedded-Hard- und -Software, Automotive-Systeme und -Software sowie die relevanten Designdienstleistungen. Im neuen «IP-Track» konnten sich Anwender und Anbieter von IP-Schaltungen über Vorteile und Probleme der IP-Verwendungen austauschen sowie Tools und Methoden in Augenschein nehmen.
Mehr Intelligenz für IoT-Sensoren
Die Keynote an der Eröffnung des IP-Tracks hielt Hossein Yassaie, CEO von Imagination Technologies. Er wies auf künftige Märkte wie tragbare Elektronik, IoT, smarte Häuser und eHealth hin, die immer komplexere SoCs brauchen, deren Entwicklung aber über zwei Jahre betragen kann. Daher müssen Systemdesigner heute richtige Trends im Markt identifizieren, damit ihre Produktkonzepte mehrere Jahre reale Marktchancen haben.
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