Für dieses Vorhaben stehen CPU-Module mit skalierbarer Rechenleistung bereit. Man steckt sie in ein kundenspezifisches Baseboard mit Prozess- und Daten-I/O und pro- grammiert sie komfortabel mit LabVIEW. Wie dies erfolgreich in der Praxis eingesetzt wird, demonstrieren drei Messnetzwerke: am Fahrzeug, in der Bahn und an Gebäuden.
Ideen sofort auf die Hardware bringen
Die CPU-Module (Bild 1) unterscheiden sich äusserlich nicht von den «embedded» Klassikern. Ihr innerer Wert ist die Programmierbarkeit mit LabVIEW. Der damit verbundene Vorteil und Nutzen für den meistens unter Zeitdruck stehenden Programmierer ist eine dreifache Entwicklungsbeschleunigung. Erstens lassen sich verschiedene Programmiermodelle flexibel wie ein Schweizer Armeetaschenmesser nutzen, passend zur Aufgabenstellung oder Präferenz des Entwicklers. Eine Regeltechnik-Idee zum Beispiel lässt sich in Matlab-Notation umsetzen und ausführen. Sie kann ebenso in das grafische LabVIEW-Blockdiagramm eingefügt werden wie Differentialgleichungen, die etwa mit Model-Based-Design entworfen wurden. Statecharts vereinfachen wiederum komplizierte Ablauflogik, und eine C-Code-Schnittstelle erlaubt schliesslich das Einbinden bestehender «C»-Algorithmen oder den direkten Zugriff auf das Betriebssystem.
Zweitens erhält ein LabVIEW-Programmierer mächtige Unterstützung, die er ohne zeitaufwendige Entwicklung sofort nutzen kann: von Bibliotheken für Mathematik und Signalverarbeitung über Tool-Kits (u.a. Filter, Regler, Sound und Vibration, Vision, Motion usw.) und Echtzeitsynchronisierung dezentraler Systeme bis zu modernen Bedienstrategien (Smartphone, Tablets) und Datenkommunikation (Cloud, Realtime-Ethernet).
Drittens werden Timing, Betriebssystem, Multitasking, Multicore und unterlegte Hardware mit nur einem Tool komfortabel abstrahiert. Die LabVIEW-Anwendung lässt sich damit ohne Detailkenntnisse zum «Unterbau» per Knopfdruck auf die eigene Embedded-Hardware laden und dort in Echtzeit ausführen.
LabVIEW mit Linux auf leistungsstarkem ARM-Multicore
Das neue RIO SOM (System on Module) von National Instruments hat die Grösse von nur einer Scheckkarte (Bild 2). Es ist industrie-tauglich, stromsparend und stellt diejenigen Funktionen zur Verfügung, welche ein leistungsfähiges smartes Embedded-System fordert. Die High-Speed-CPU besteht aus einem ZYNQ-System-on-Chip (SOC) von Xilinx, mit 667 MHz Dual-Core ARM Cortex-A9, ARTIX-7-FPGA und externem 512-MByte-DRAM und 512-MByte-Flash. Daneben stehen Funktionen wie GBit-Ethernet, CAN, USB 2.0 Host/Device, SD-Card und serielle Schnittstellen zur Verfügung. Über einen robusten 320-Pol-Verbindungsstecker gelangen sie inklusive der 160 direkt mit dem FPGA verbundenen GPIOs auf das Baseboard und werden dort konditioniert.
LabVIEW in der Low-Power-Briefmarke
Die Briefmarken-Messrechner sind kleiner als eine Streichholzschachtel (Bild 3), haben einen Stromverbrauch <1 W und booten in weniger als 1 s. Trotzdem eignen sie sich für ausgewachsene Mess- und Regeltechnikanwendungen. Ausgelegt für lüfterlosen Dauerbetrieb in einem Temperaturbereich von –20 bis +75°C, lassen sich diese Miniaturrechner für diverse Industriebereiche sowie für die Analysen- und Medizintechnik nutzen. Alle Ein-/Ausgänge, umfangreichen Mathematik- und Logikfunktionen sowie Tools zur Erstellung einfacher Bedienoberflächen stehen im SDK als fertige Software-Funktionsblöcke zur Verfügung und werden einfach per Drag and Drop zusammengeführt – es gibt fertige Schaltungen in Form von Referenzdesigns für individuelles I/O.
Baseboards mit spezifischem Prozess- und Daten-I/O
Nahezu jeder am Markt verfügbare I/O-Baustein lässt sich auf das Baseboard integrieren, an das CPU-Modul anbinden und mit LabVIEW ansteuern, z.B. über digitales I/O, synchrone (SPI, I2C) und asynchrone (UART) serielle Schnittstellen oder parallele High-Speed-Bussysteme (Bild 4). Beispiele sind Analog-I/O, PWM, Counter, Encoder und Digital-I/O, Wireless/WLAN, RFID, GSM/GPRS, GPS, Zigbee und Color-TFTs mit CAP-/Multi-Touch.
Vorteil: Die Hardware lässt sich in Form und Funktion an jede beliebige Aufgabenstellung anpassen. Der Preis dieser Flexibilität: Wie beim Zweiplatinenansatz üblich, muss man als erste «Hausaufgabe» immer Hardware in Form eines Baseboards entwickeln. Falls die professionelle EDA-Infrastruktur, das nötige Hardware-Know-how oder Zeit fehlen, bieten NI-Allianzpartner mit dem «Electronic Design Speciality»-Zertifikat, wie Schmid Elektronik, entsprechende Dienstleistungen an.
Netzwerkfähigkeit und Timing
Dank dem weit verbreiteten Betriebssystem RT-Linux und dem dazugehörigen Ökosystem eröffnen sich bezüglich Netzwerkfähigkeit neue Chancen für ein smartes Embedded-System, sei es ein schlanker DHCP-Client der «Busybox», das Installieren eines Apache-Webservers mit dem Packagemanager «opkg» oder die Regelung von Zugriffsrechten über die Secure Shell «SSH». Die Netzwerkfunktionalität von Linux ist nahezu grenzenlos und steht damit LabVIEW eins zu eins zur Verfügung. Ebenfalls zentrale Punkte sind ein «live»-Firmware-Update übers Netz oder die Nutzung von Webservices wie z.B. einem Zeitserver.
Vor allem im Netzwerk smarter Embedded-Systeme ist Timing die Herausforderung Nummer eins. Timing ist bei LabVIEW integraler Bestandteil der Sprache, weil es schon immer Hand in Hand ging mit Mess-, Steuer- und Regeltechnik-Hardware. Das gestattet intuitive, grafische Programmierung von Multitasking und Multicore. Auch das Linux-Betriebssystem liefert Timing-orientierte Funktionen wie repetitive Tasks (cron) oder zeitunkritische Worktasks (CFS). Bei zeitkritischen Tasks mit gefordertem Jitter zwischen 10 und 100 µs wird der Linux-Kernel mit «PREEMPT_RT» gepatched. Für harte Echtzeit im einstelligen µs- oder sogar ns-Bereich wird der FPGA genutzt.
Dezentrales Strukturmonitoring an Gebäuden
Ähnlich wie in Europa wächst auch in Singapur die Bevölkerung. Bauland ist begrenzt, also werden ältere Gebäude abgerissen, um sie durch Hochhäuser zu ersetzen. Die Herausforderung: Singapur ist auf Sand gebaut, also steht zu befürchten, dass sich die an Baustellen erzeugten Schwingungen zu den angrenzenden Gebäuden ausbreiten und diese Schaden nehmen. Die Lösung ist ein über die ganze Stadt verteiltes Messnetzwerk. Es besteht aus autarken, batteriebetriebenen Messknoten, die an Gebäuden, Brücken und anderen kritischen Strukturen montiert werden und deren Lageveränderung und Vibrationen messen. Die Daten werden über ein integriertes GSM-Modem per FTP an einen zentralen Server geschickt und dort in Echtzeit ausgewertet. Hauptmerkmal der einzelnen Messknoten ist Low-Power-Batteriebetrieb. Je weniger Strom verbraucht wird, desto länger die Serviceintervalle zum Tausch der Batterien und umso niedriger die Wartungskosten. Derzeit liegt dank den DSP-basierenden, stromsparenden LabVIEW-Scheckkartenrechnern die maximale Betriebszeit bei drei Monaten.
Mobiles Wireless-Netzwerk für die Reifenanalyse am Auto
Drahtlose Echtzeitkommunikation war Dreh- und Angelpunkt eines telemetrischen, mobilen Messnetzwerks für dynamische Reifenanalyse. In dezentralen, batteriebetriebenen Messknoten direkt in jeder Radnabe wird die Drehzahl erfasst, über Funk an eine lokal installierte Blackbox gesendet, dort auf einem Touchdisplay visualisiert, auf SD-Card abgespeichert und in Echtzeit zu einem entfernten Empfänger (Tower) geleitet. Das «Hirn» der vier Messknoten ist eine LabVIEW-Briefmarke (Bild 3), und die Blackbox wurde wegen des Bedarfs an hoher Rechenleistung mit dem Dual-Core-ARM-SOM realisiert (Bild 2). Gegenwärtig bestimmt zwar noch der Testfahrer als «Teil des Systems» die Strategie. Es ist angedacht, diesen aber durch ein X-by-Wire-Steuerungssystem zu ersetzen, um damit in Regressionstests reproduzierbare Ergebnisse zu erhalten: Nasshaftung von Reifen, Extrembeschleunigungen in Kurven beim Motorsport, Geschwindigkeitsverhalten von 600 PS starken Polizeiautos oder in der Königsdisziplin blockierender Reifen beim Bremsen (ABS).
Dezentrales Regelungsnetzwerk in chinesischem Zug
Ein chinesischer Bahnbetreiber installiert im Zug gegenwärtig ein dezentrales Regelnetzwerk, bei dem ein zentraler CAN-Master bis 30 Knoten mit lokalem PID-Controller in Echtzeit steuert. Im 50-Hz-Takt sendet der Master die individuellen PID-Koeffizienten an die Controllerknoten und erhält im selben Zeitraster deren Istwerte zurück. Der Master wurde mit dem neuen SOM realisiert, die Knoten mit LabVIEW-Scheckkartenrechnern auf individueller Hardware (Bild 1 links).
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