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Ein iPhone 6s für meinen Sohn

Mein Sohn ist seit wenigen Tagen stolzer Besitzer eines iPhone 6s. Und mit der 128-GByte-Variante ist es zugleich das Flaggschiff aus dem Apple-Sortiment. Eigentlich ein Kind der Bescheidenheit, fleissig in der Schule, sorgfältig im Umgang mit dem Taschengeld – wie kann so etwas passieren?

 

Ich selber bin in der Mikroelektronik tätig. In den Neunzigerjahren habe ich ASICs für die Tele- kommunikation entwickelt, u. a. auch Baseband-Chips für mobile Telefongeräte. Seit mehr als 15 Jahren arbeite ich nun an der Fachhochschule Nordwestschweiz im vierfachen Leistungsauftrag – Ausbildung, Weiterbildung, Forschung & Entwicklung und Dienstleistungen. Ich führe meine Studierenden in die Kunst ein, wie man hochkomplexe elektronische Geräte entwickelt und freue mich riesig, dass das Motto des diesjährigen FAEL-Herbstanlasses «50 Jahre Moore´s Law» lautete.

Ich bin kein Technik-Muffel

Auch der Bericht von Michael Giger in der Polyscope-Ausgabe 17/15 zum Thema «Windows 10» passt gut zu diesem Thema. Er zeigt, dass Microsoft gewillt ist, gewisse Lücken gegenüber Apple zu verringern, ja in einigen Gebieten sogar neue Massstäbe setzen zu wollen. Ich bin also gewiss kein Technik-Muffel. Dennoch suche ich nach einer Rechtfertigung, warum mein Sohn nun so ein teures Gerät angeschafft hat und die Hierarchie der Statussymbole familienintern auf den Kopf gestellt hat. Die Apple iPhones verteilen sich aktuell wie folgt: Der Jüngste hat ein 6s, die ältere Tochter die Version 6, ich folge mit dem 5s und meine Frau begnügt sich mit einem alten 4s. Mein Bauch sagt: «Da stimmt doch etwas nicht». Drei Fragen sollen mir etwas Gewissheit bringen:

  • Was bietet ein iPhone 6s?
  • Wie gerechtfertigt ist ein vierstelliger Betrag für ein solches Gerät?
  • Wer ist «legitimiert», ein solches Smart-phone zu besitzen?

Highend-Handys – die Alleskönner

Ein Gerät wie ein iPhone 6s, da zähle ich die anderen Highend-Smartphones ebenfalls dazu, sind Wunderdinge der Technik. Die Auswirkungen von Moore´s-Law zeigen sich an diesem Beispiel sehr eindrücklich. Im Jahr 1965 brauchte man ein Telefon um Gespräche zwischen zwei Orten zu führen. Diese Funktion beherrscht ein heutiges Gerät auch, aber vielmehr vereint es eine Vielzahl von verschiedenen Geräten in einem Gehäuse. Wer im Internet nach «30 Dinge, die das Smart-phone ersetzt hat» sucht, erhält einen Eindruck, was bis heute bereits erreicht wurde.

Mich selber überrascht auch immer wieder, was die Ingenieure in der Hard- und Software-Entwicklung immer wieder Neues zustandebringen. Bei der Hardware sind es die leistungsfähigen Chips, die integrierten Sensoren, die Akkutechnologie und auch die Ästhetik, die einen faszinieren. Zum Leben erwacht das Gerät jedoch erst mit der Software, den Apps und den vielen Diensten, die angeboten werden.

Grosser Posten im Haushaltsbudget

Tausend Franken für ein Smartphone! Und dazu noch ein Abonnement mit laufenden Kosten. Solche Posten müssen in das Haushaltsbudget miteinbezogen und mit anderen verglichen werden. Wie stehen diese Kosten zu anderen Ausgaben? Ein anständiges Fahrrad kriegt man für diesen Betrag auch, allerdings bei weit kleineren Kosten für den Unterhalt. Ein Roller der Kategorie A1 hingegen ist mit Anschaffung und Unterhalt eher noch teurer. Auch eine Snowboard-Ausrüstung mit den zusätzlichen Ausgaben für die Tageskarten gehen betragsmässig in einen ähnlichen Bereich.

Ebenfalls gerade aktuell in unserer Familie: Weisheitszähne ziehen. Die Richtwerte für die Ziehung dieser vier «Nichtsnutze» bewegen sich beim Betrag von zwei neuen iPhone 6s. Kommunikation, Mobilität, Freizeit und Gesundheit sind alles Posten, die ins Geld gehen. Doch es gibt auch Kosteneinsparungen mit dem Smartphone. Das selektive Herunterladen oder Streamen von Musik und Videos ist günstiger als früher der Kauf. Auch das Fotografieren geschieht gratis mit dem Smartphone, da die Bilder meist auf dem Gerätespeicher bleiben und Abzüge davon höchst selten bestellt werden. Auch das Üben auf die Auto-Theorieprüfung kostet dank günstiger App nur ein paar Franken. Und je besser die Smartphones werden, desto geringer werden die Ansprüche an die Heim-Computer. Diese existieren zwar auch noch in unserem Haushalt, werden jedoch immer seltener in Betrieb genommen.

Das Gerät zum Glühen bringen

In meinem Arbeitsumfeld sind viele Ingenieure, welche die meisten Bürostunden vor den Workstations verbringen. Sie sind froh, wenn sie in der Freizeit etwas Ruhe von elektronischen Geräten haben. Diese Personen besitzen meist einfache Smartphones oder kaufen sich ein Highend-Gerät nur deshalb, weil sie von der Technik fasziniert sind. Die echten Power- User sind jedoch unsere Kids. Sie werden nicht umsonst Digital-Natives genannt. Der Einsatz des Smartphone im täglichen Leben ist selbstverständlich. Das Smartphone wird eingesetzt zum Kommunizieren, zum Lernen, um sich zu unterhalten, zum Suchen von Informationen und vieles mehr. Meine Tochter hat über 100 installierte Apps, ca. 30 davon im täglichen Einsatz.

Fazit – was nun?

Ich habe das Bedürfnis, mich selber zu rechtfertigen und zum Entschluss zu kommen, dass mein Sohn sein iPhone 6s mit 128 GByte verdient hat. Ein erster Grund fällt mir einfach ein. Da ich selber ähnliche technische Wunderdinger erforsche und entwickle, kann es nicht ganz falsch sein, wenn mein Sohn solche benutzt. Dann ist es auch so, dass die 3S-Telekommunikationsanbieter (Swisscom, Sunrise und Salt) mit ihrer Werbung unsere Jugend speziell im Visier haben. Mit günstigen Abonnements den Honig ums Maul schmieren, so dass sie später nicht mehr darauf verzichten können. Und der gesellschaftliche Druck besteht natürlich auch: die Angst ausgegrenzt zu werden. Bleibt also nur noch zu beantworten, wieso die 128-GByte-Variante, was mir wiederum einfach fällt: Momentan ist es schon mehr als nice-to-have, genügend Speicher zu haben. Mit den neuen Bildsensoren werden sowohl Fotos wie auch Videos immer grösser und auch die 128 GByte könnten irgendwann gefüllt sein. Spätestens jedoch in drei Jahren, wenn das Geräte in den Besitz meiner Frau übergeht, sind 128 GByte das Minimum, was noch zumutbar sein wird.

Sind alle technischen Errungenschaften ein Segen für uns?

Ich komme also zur Einsicht, dass die Anschaffung in Ordnung geht, sofern zwei weitere Punkte erfüllt werden. Erstens muss sich mein Sohn, obschon er als Kantonsschüler noch keine grossen Einnahmen zu verbuchen hat, zur Hälfte an den Anschaffungskosten beteiligen. Und zweitens muss er weiterlernen und beweisen, dass er es versteht, richtig mit dem Smart- phone umzugehen. Vielleicht kann er auch mal seine ältere Schwester um Rat bitten, die gerade die beiden Bücher «Blackout» und «Zero» von Marc Elsberg gelesen hat. Da hinterfragen sich sogar unsere Kids, ob all die technischen Errungenschaften nur ein Segen für uns sind. 

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