Mit dem Zug von Zürich aus erreicht man Brig im Wallis in nur gerade zwei Stunden. Seit 2007 der Lötschberg-Basistunnel eröffnet wurde, rasen die Züge mit 200 km/h unter der nördlichen Alpenkette hindurch. 1994 hatte man mit dem Bau des Sondierstollens begonnen. Die Arbeiten für den Haupttunnel dauerten von 1999 bis 2007. Dank moderner Technik ist der Tunnelbau heute wesentlich sicherer als früher. Geblieben sind die harten Umgebungsvoraussetzungen für Mensch und Maschine im Untertagebau.
Sprengstoff für die meisten Schweizer Tunnels
Ein Unternehmen, das den harten Bedingungen im Tunnelbau trotzt, ist die Société Suisse des Explosifs, kurz SSE, in Brig. Das Unternehmen ist auf die Herstellung von Sprengstoffen für die zivile Sprengtechnik spezialisiert. Neben der Herstellung von Sprengstoff, Feinchemie und Pyrotechnik verfügt SSE über selbst entwickelte Mischladefahrzeuge. Mit diesen wird der Sprengstoff direkt vor Ort im Tunnel hergestellt und in die Bohrlöcher gepumpt. SSE war nicht nur beim Bau der NEAT involviert, sondern ist auch am Bau der meisten Schweizer Autobahntunnel der letzten Jahre als Lieferant für Sprengmittel beteiligt.
Eine mobile Fabrik produziert Emulsionssprengstoff
Das Firmengelände von SSE befindet sich aus-serhalb von Brig in einem Tal. Rund hundert Gebäude werden hier vom Unternehmen genutzt, das in den letzten 120 Jahren stetig gewachsen ist. Dass sich die Firma auf so viele einzelne Gebäude verteilt, hat mit den Sicherheitsmassnahmen zu tun.
In einer Halle auf dem weitläufigen Gelände sind die Mischladefahrzeuge MORSE (Module de Repompage et de Sensibilisation d’Emulsion) stationiert. Ein dreiköpfiges Team kümmert sich hier um die Wartung und Reparatur dieser Systeme. Dabei handelt es sich um mobile Sprengstofffabriken, mit denen direkt im Tunnel Sprengstoff hergestellt wird. Eine MORSE-Einheit wird auf einem Trägerfahrzeug montiert, funktioniert aber komplett rückkopplungsfrei. Einzig ein Stromanschluss ist nötig. Sie verfügt über drei Tanks für die Komponenten des Emulsionssprengstoffs und über einen Wassertank. Mittels einem Schlauch werden die Komponenten ins Bohrloch gepumpt. Das Wasser dient zur Schmierung. Erst zuvorderst im Schlauch werden die Komponenten mit einem sta-tischen Mischer zu Emulsionssprengstoff zusammengefügt.
Die Produktionsanlage wird stetig weiterentwickelt
Die Funktionsweise dieser mobilen Sprengstofffabrik ist in der Umsetzung höchst komplex. Die Zusammensetzung und Energie des Sprengstoffes muss genau den jeweiligen geologischen Voraussetzungen entsprechen. Dazu stellen die Fachleute von SSE auf den jeweiligen Tunnelausbruch abgestimmte Sprengschemata her. Diese werden dann mittels eigener Software programmiert, sodass das Mischladefahrzeug die Dosierung der Komponenten automatisch vornimmt.
Entwickelt wurde die MORSE Ende der neunziger Jahre ursprünglich von der französischen Firma EPC. Seit 2000 zeichnet SSE für die Weiterentwicklung und Produktion dieser Anlagen verantwortlich. Heute verfügt das Unternehmen über 24 Maschinen. Während das Grundprinzip über all die Jahre dasselbe geblieben ist, haben die Techniker ihre Maschinen fortlaufend optimiert – vor allem, was die Steuerung und Elektronik anbelangt. Dazu hat sich das Unternehmen Partner an Bord geholt. Die Steuerungselektronik liefert Wago Contact SA, für die Konzeption der Steuerung zeichnet das Briger Ingenieurbüro Demostene + Partner verantwortlich, und der Steuerungsrechner kommt von der Embedded-Spezialistin Syslogic.
Langzeitverfügbare Steuerungsrechner für harte Bedingungen
Einerseits sind die Bedingungen unter Tage äusserst widrig – Staub, Feuchtigkeit, Hitze, Vibrationen – andererseits legt SSE grossen Wert auf die Einsatzsicherheit der MORSE-Systeme und auf den Schutz des Personals. Entsprechend hat das Unternehmen seine Partner vorsichtig evaluiert. Bei den Steuerungsrechnern achtete SSE auf hohe Schock-, Vibrations- und Hitzeresistenz sowie auf eine lange Verfügbarkeit. Weil die Entwickler am Grundprinzip ihrer Mischladefahrzeuge nichts ändern möchten, wäre es entsprechend zeit- und kostenaufwendig, wenn wegen abgekündigter Elektronikkomponenten die Steuerung angepasst werden müsste.
Syslogic entwickelt und fertigt alle ihre Industriecomputer selbst. Bereits während der Entwicklungsphase achtet das Unternehmen darauf, dass nur langzeitverfügbare Komponenten eingesetzt werden. Beispielsweise kommen in den Industriecomputern nur Prozessorplattformen zum Einsatz, die auf einer Embedded Roadmap gelistet sind. Damit garantiert Syslogic eine Verfügbarkeit von zehn Jahren und mehr.
Vibrationsfestigkeit ist im Tunnelbau eine Standardvoraussetzung
Ein wichtiger Punkt, warum sich SSE für die Rechner der Compact-71-Serie entschieden hat, ist die Vibrationsbeständigkeit. Die Tunnelbohrmaschinen sind meist noch vor Ort, wenn der Sprengstoffspezialist seine Mischladefahrzeuge auf die Baustelle bringt. Entsprechend müssen sämtliche Komponenten den vorherrschenden Vibrationen standhalten.
Die eingesetzte IPC-Serie kommt vorwiegend in mobilen Anwendungen zum Einsatz. So wurden unter anderem Vibrationsmessungen im Frequenzbereich von 10 bis 100 Hz nach der europäischen Norm 60068-2-64 und Schockprüfungen nach der europäischen Norm 60068-2-27 durchgeführt. Sämtliche Belastungstests haben die Industrierechner bestanden.
Nachdem SSE mit dem Einsatz der MORSE bei vielen Tunnelbaustellen erfolgreich war und zur Zeit die meisten grossen Schweizer Tunnelprojekte realisiert sind, expandiert das Unternehmen ins Ausland. Die Anlagen sowie das Know-how der Schweizer stossen beispielsweise in Polen und Schweden auf grosse Resonanz.
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