Die Verwendung zusätzlicher Frontscheiben (Dekorgläser, Cover-Lens) ist bei vielen aktuell verfügbaren CTPs bereits bis zu mehreren Millimetern Materialstärke möglich. Diese muss man in der fertigen Anwendung mittels Justage der Empfindlichkeit und der Detektionsschwellen evaluieren und einstellen, um für die entsprechende Situation ein sehr gutes Ergebnis zu erreichen. So lassen sich auch Einstellungen finden, welche die Bedienung mit dünnen Silikonhandschuhen, wie sie zum Beispiel oft in Labors verwendet werden, erlaubt.
«Wet» und «Glove» sind eine Herausforderung
Dem Einsatz kapazitiver Touchscreens in der Industrie steht demnach nichts mehr im Weg. Was aber, wenn die Einsatzsituation nicht in jedem Fall bekannt ist? Was, wenn die Bedienung auch unter schwierigen, sich ändernden Bedingungen erfolgen soll? Als Synonym für solche Bedingungen hat sich in letzter Zeit die Bezeichnung «Wet'n'Glove» etabliert. Der Touchscreen soll auch unter Einfluss von Nässe und auch mit Handschuhen bedient werden können. Wie kann das gehen?
Die beiden Situationen «Wet» und «Glove» schaffen unterschiedliche Problempunkte bei der Detektion. Während bei Nässe auf dem Touchscreen die Sensoren allein durch die Feuchtigkeit beeinflusst werden, kann beim Finger im Handschuh nur eine kleine Signal-änderung erkannt werden.
Theorie zur Funktionsweise kapazitiver Touchscreens
Als Grundtechnologien bei CTPs unterscheidet man zwischen «Mutual Capacitance» und «Self Capacitance». Bei «Mutual Capacitance» besteht das Sensor-Array auf dem Touchscreen aus Sender und Empfänger. Dem Sender liegt ein definiertes Signal an, welches als elektrisches Feld abgestrahlt wird. Der danebenliegende Empfänger liest dieses Signal. Wenn eine Veränderung am Dielektrikum des Feldes erfolgt – zum Beispiel weil ein Finger das Feld beeinflusst – kann der Empfänger eine Signaländerung feststellen und diese entsprechend auswerten. Damit lassen sich mehrere Punkte gleichzeitig individuell erkennen, der Touchscreen ist Multipoint-fähig. Zudem lassen sich «Mutual Capacitance»-Touchscreens gut justieren und sie weisen eine gute Toleranz gegen äussere Einflüsse auf. Die Aktivierung erfolgt auf kleinstem Raum zwischen Sender und Empfänger, die errechenbare Genauigkeit ist hervorragend.
Die «Self-Capacitance»-Technologie funktioniert etwas anders. Hierbei wird ein definiertes Signal, welches am Sensor anliegt, über ein Dielektrikum gegenüber Erde beeinflusst. Die Beeinflussung wird detektiert und ausgewertet. Damit lassen sich empfindlichere Systeme mit grosser Immunität gegen äussere Einflüsse realisieren. Dies geht jedoch teilweise auf Kosten der allgemeinen Performance – Genauigkeit, Geschwindigkeit – sowie der Multipoint-Funktionalität, da sich mehrere Touches manchmal nicht zweifelsfrei zuordnen lassen.
Man verfolgt für «Wet» und «Glove» verschiedene Lösungsansätze
Um die beiden oben erwähnten Problempunkte bei «Wet» und «Glove» einbeziehen zu können, verfolgt man folgende Lösungsansätze. Die Signallage bei der «Mutual Capacitance» wird durch Wasser, das auf der Touchoberfläche zu liegen kommt, direkt beeinflusst. Das Dielektrikum von Wasser ist sehr unterschiedlich zu dem von Luft, es findet eine Signaländerung statt. Allerdings ist diese Signaländerung viel stärker, als wenn sie durch einen erwarteten Finger verursacht worden wäre.
Es kann demnach durch die Verwendung einer zulässigen Bandbreite an Signalveränderungen festgestellt werden, ob es sich um eine Beeinflussung durch Wasser (zu gross, ungewollt) oder durch einen Finger (gewollt) handelt. Eine Kombination mit Wasser auf dem Touchscreen, der dann aber doch mit dem Finger bedient werden können soll, bedarf entsprechend ausgeklügelter Algorithmen, um die Situation an den Sensoren mit den äusseren Einflüssen beurteilen zu können.
Bei Verwendung von Handschuhen bietet sich ein anderes Bild. Das zur Detektion notwendige Dielektrikum (z. B. der Finger) gerät nicht nahe genug an die Sensoren, um einen Touch auslösen zu können. Dies ist bei dicken Handschuhen, welche Luft einschliessen, der Fall. Dünne Silikonhandschuhe bieten meist keine Probleme.
Hier kommen die Vorteile der «Self Capacitance» zum tragen. Da nur eine Ableitung gegenüber Erde detektiert wird, kann ein viel stärkeres Signal ausgesendet werden, welches im Normalfall störungsrobust bleibt. Zudem kann eine Ableitung auch dann detektiert werden, wenn das Dielektrikum nur wenig besser ist als jenes von Luft. Ein Finger in einem Handschuh kann dazu dann ausreichen.
Kombination von beiden Detektionsarten ist die Lösung
Bei der jüngsten Generation von Touchpanels mit robuster «Wet'n'Glove»-Technologie von NLT-Tianma werden die beiden Detektionsarten miteinander kombiniert. Die Sensoren können sowohl im «Mutual»- als auch im «Self»-Modus betrieben werden. Während im Normalfall mit «Mutual» auf Einflüsse geprüft wird, sucht der Touch zwischenzeitlich auch im «Self»-Modus nach kleinen Signaländerungen – z. B. von einem Finger mit Handschuh. Wird etwas detektiert, werden weiter Messungen in diesem Modus gemacht, und gegebenenfalls mittels Wechsel in den «Mutual»-Modus präzisiert. Ebenso werden grosse Signaländerungen, die im «Mutual»-Modus erkannt werden – z. B. infolge Wasser auf dem Touchscreen –, mittels «Self»-Modus überprüft und qualifiziert.
Zusätzlich werden die Resultate der Sensorsignale mit aufwendigen Berechnungen auf Plausibilität geprüft. Wie gross ist der Druckpunkt? Wie ist er entstanden? Wie stabil ist er? Wie nahe ist der nächste Berührungspunkt – bekannt durch «Palm Rejection»? Dadurch lassen sich verschiedene Einflüsse mit verschiedenen Eingabesituationen vergleichen und deuten.
Einbau von CTPs erfordert Aufmerksamkeit und Know-how
Trotz dieser Ansätze hinsichtlich universeller Verwendung kapazitiver Touchscreens sollten einige wichtige Punkte berücksichtigt werden. Der Einbau der Bedieneinheit sollte nach Möglichkeit Wasser fernhalten (Abschirmung, Dach), beziehungsweise auftretendes Wasser abfliessen lassen. Die Bedienoberfläche (GUI) sollte einfach gestaltet und mit grösseren Bedienflächen versehen sein. Während eine Einzeltaste sehr robust und bediensicher erzielt werden kann, ist millimetergenaues Verschieben unter «Wet'n'Glove»-Bedingungen nicht realistisch. Aufgrund der verwendeten umfangreichen Algorithmen ist die Erkennung etwas träger. Ein kurzes Tippen im Millisekundenbereich oder ein rasches Überwischen, kann eventuell nicht eindeutig erkannt werden. Auch das muss in der Bedienerführung allenfalls berücksichtigt werden.
Obschon Wassereinfluss in der Regel nicht zu unerwünschten Aktivierungen führt, müssten sicherheitsrelevante Funktionen verifiziert werden. Dies kann man beispielsweise mit geforderter Rückbestätigung oder Multipointmustern realisieren. Die Funktionsprüfung muss in jedem Fall im Endgerät unter realistischen Bedingungen erfolgen. Laborwerte eignen sich nur bedingt.
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