Auch für mich ist die IMS immer wieder die Quelle und der Fundus für Innovationen und Trends aus der Welt der Hochfrequenztechnik. Anhand von persönlichen Eindrücken und Erlebnissen berichte ich aus meiner Warte über spannende Themen. Der Beitrag hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit, greift jedoch sehr spannende Themen aus der Hochfrequenzelektronik und Kommunikationstechnik heraus. Teil 1 erschien in Polyscope 11-12/16.
RF-Energieernte und drahtlose Leistungsübertragung
RF-Energieernte oder «Energy Harvesting» und drahtlose Leistungsübertragung dringen mehr und mehr in unseren Alltag ein. So gehören die drahtlosen Ladestationen in den Starbucks Cafés heute schon zur selbstverständlichen Infrastrukturausrüstung. Es gilt zu beachten, dass die zwei Prinzipien des Energy Harvestings (EV) und der drahtlosen Leistungsübertragung nicht dasselbe sind.
Beim EV wird entweder die verfügbare kinetische Energie in eine elektrische Energie umgewandelt (z.B. durch die Verformung eines Piezoelements), oder aber es wird «aus der Luft» hochfrequente Energie mittels Antennensystem empfangen, gleichgerichtet und für die Verwendung in elektronischen Schaltkreisen aufbereitet. EV lässt sich dabei nicht beliebig einsetzen, weil heute übliche Systeme eine Empfangsleistung von etwa 10 µW (–20 dBm) benötigen, um über alle Aufbereitungsstufen einen positiven Energiebetrag zu erzielen. Hierfür werden meist UHF- oder Mobilfunksignale bis 3 GHz «angezapft», sodass die Schaltverluste in den Gleichrichtern tief bleiben. Weitere Optimierungen wie der Einsatz von relativ hohen Antennenimpedanzen und je nach System auch die sanfte Tastung der Gleichrichterschaltung erlauben es, aus den wenigen Prozenten einen massvollen Energieertrag zu erzielen.
Drahtlose Leistungsübertragung wird bereits erfolgreich eingesetzt
Die drahtlose Leistungsübertragung wird bereits heute erfolgreich bei der Ladung von mobilen Devices oder auch elektrifizierten Omnibussen eingesetzt, indem mit Hilfe von relativ nahe zueinander angeordneten Spulen, wir sprechen da von Abständen im Bereich von Millimetern bis etwa einem halben Meter, die Energie induktiv übertragen wird (z. B. bei 150 kHz). Frequenzmässig darüber liegen die Systeme, die in magnetischer Resonanz betrieben werden (z. B. bei 6,87 MHz).
Letztere haben den Vorteil, dass die Ausrichtung der Systemteile zueinander nicht so kritisch ist, jedoch das Spulendesign wesentlich diffiziler ist. Abhängig von der Leistungsklasse des Systems sind die System-eigenschaften wie Übertragungsfrequenz, Adaptierungsmöglichkeit der Erregerfrequenz, Art der Kopplung, erzielbare Effizienz, Auswahl der Gleichrichterelemente und der Gleichrichtertopologie, adaptive Gleichrichter, adaptive Lasten usw. sehr unterschiedlich.
Netzhautreparatur mit lichtsensiblen Sensoren – Blinde sehen wieder
Im Rahmen der medizinischen Hilfsmittel wurden mehrere für infrarotes oder sichtbares Licht sensitive Sensorelemente auf der Basis photovoltaischer Zellen gezeigt, die sich unter die Netzhaut des erblindeten Auges einpflanzen lassen. Die einzelnen Sensorzellen sind dabei in einer zweidimensionalen Matrix angeordnet, die die eintreffende Strahlung in elektrische Signale umformen, die weitergeleitet werden, damit sie das Hirn in eine Bild-information umsetzen kann.
Einer der Knackpunkte dieser Systeme ist die relativ hohe Auflösung bei gleichzeitig gutem Kontrast, sodass erkennbare Bilder entstehen. Der aktuelle Stand der Sensorentwicklung liegt bei 487 Pixeln pro mm2, das ergibt bei einem visuellen Sichtfeld von zwanzig Grad über 10 000 Pixel. Der Patient kann dabei seine Sehkraft und Sehempfindlichkeit über gezielte Übungen verbessern, trotzdem haben die heute verfügbaren Sensoren noch die doppelt so grosse Rasterung wie das natürliche Auge. Die Verkleinerung der einzelnen Sensorzellen und damit die Erhöhung der Pixeldichte sind klar die Entwicklungsschritte in Richtung einer noch höheren Auflösung bei gleichzeitig gutem Kontrast.
Nebst den Sensoren, welche direkt mit dem sichtbaren Licht arbeiten, setzen andere Systeme auf infrarotsensitive Sensoren, bei denen der erfasste Bildbereich mit IR angeleuchtet wird und die reflektierte Energie dann über die Sensoren verarbeitet wird. Dies erlaubt auch in schlecht beleuchteter Umgebung die Erzeugung eines noch verwertbaren Bildsignals.
Frauenförderung im Hochfrequenz- und Mikrowellenbereich
Auffallend am diesjährigen Kongress war der weiterhin gestiegene Frauenanteil bei den Ingenieuren wie auch bei den Lehrenden. Dies hat sicher damit zu tun, dass die IEEE gezielt im Engineeringbereich aktiv Frauenförderung betreibt. Ihren Niederschlag finden diese Bemühungen in speziellen Konferenzen im Silicon Valley. Auch der HF-Bereich profitiert weltweit von diesem gestiegenen Frauenanteil. Die Systeme werden immer kleiner und kompakter und Ingenieurinnen gehen teils anders an diese HF-Projekte heran.
An der Konferenz gab es einen speziellen «Women in Microwaves(WIM)»-Anlass, mit Schwerpunktthemen wie: Wie die Vielfalt hilft, sich gemeinsam weiterzuentwickeln; wie Hindernisse in der Karriere überwunden werden können; oder wie die spürbare Sichtbarkeit (der Person) einen grossen Einfluss auf die erfolgreiche Führung hat.
Mit dem Trend der Wearables ist es sicher wünschenswert, an der Schnittstelle von Technologie und Mensch die Inputs beider Geschlechter zu berücksichtigen, damit die Bedürfnisse und spätere Akzeptanz der Produkte am Markt gross werden.
Ad-hoc-Netzwerke mit hoher Datenkapazität und kleiner Latenzzeit
Bis jetzt haben drahtlose Übertragungssysteme zur Mehrheit eine Art Master/Slave-Struktur, denken wir z. B. an die Mobilkommunikation, wo sich die Handys bei den Basisstationen anmelden, die Basisstationen ihrerseits reichen dann die mobilen Teilnehmer von einer Zelle in die nächste weiter, sofern sich ein Mobile zu der Zellgrenze hinbewegt und ein Handover in die nächste Zelle die Verbindungssicherheit verbessert. Die Kommunikation über solche Strukturen bedeutet aber auch ein gewisses Mass an Latenzzeiten, die z. B. beim dynamischen Spielen in der Gruppe oder aber bei sicherheitsrelevanten Device-zu-Device-Kommunikation dem Spass abträglich sind oder aber grundsätzlich nicht funktionieren, weil die Strukturen zu langsam sind. Deshalb sucht man innerhalb bestehender und gut eingeführter Standards nach Erweiterungsvarianten, damit die Direktkommunikation auch möglich wird.
So ist es vorstellbar, dass sich eine Menschengruppe ad-hoc findet, miteinander zu spielen beginnt und die Devices ohne sichtbare Hierarchie ebenfalls untereinander kommunizieren. Dies alles ohne Administration und ohne sich, wie sonst üblich, über einen Backbone ins Netz einzuwählen. Die Teilnehmer können spontan kommen und gehen, machen mit, solange es ihnen passt und klinken sich bei Bedarf wieder aus. Ganz ähnlich könnten Fahrzeuge untereinander ein Netz bilden, weil sie neben- oder miteinander im Moment eine Gruppe bilden und weil sie in dieser Gruppe zur Sicherheit einen minimalen Abstand untereinander einhalten müssen. Wenn ich nun schneller als der Gruppendurchschnitt unterwegs bin, dann «verliere» ich zunehmend die langsameren Umfeldgenossen, währenddem aus der Richtung der «Spitze» laufend neue Netzteilnehmer hinzukommen, mit denen ich mich koordinieren und absprechen muss.
Gruppengrenzen sind fliessend
Der ganze Verbund bildet nicht eine Gruppe, es müssen zig Untergruppen gebildet werden, innerhalb derer die gegenseitige Koordination abläuft – wenn ich mich jedoch in Richtung Gruppengrenze verlagere, muss ich zwingend «meine» Gruppe in diese Richtung erweitern, bin aber noch für einen kurzen Moment weiter Teilnehmer der «alten» Gruppe. Die Gruppengrenzen werden somit dauernd fliessen und die meisten Teilnehmer müssen mit mehreren Gruppen gleichzeitig «vernetzt» sein, damit für sie jederzeit die Sicherheit und nötige Flexibilität gewährleistet werden kann. In einer grösseren Skalierung sind solche «Netzwerke» sehr komplex, der fortwährenden Veränderung unterworfen und müssen in kürzester Zeit die neusten Verbindungen administrieren und die nachbarschaftlichen Parameter abgleichen, um im «Schwarm» als Ganzes, wie auch für den Einzelnen, die richtigen und sicheren Entscheide zu fällen.
Elektrische statt chemische Körpersteuerung
Die heutige Schulmedizin baut überwiegend auf die chemische Beeinflussung unseres Körpers bzw. auf Teile davon auf, indem durch ein Medikament ein Prozess oder eine Reaktion stimuliert oder gebremst wird. Chemische Medikamente erbringen viel Positives, führen aber auch zu Nebenwirkungen, die belastend oder beeinträchtigend sein können. Ähnlich der Epilepsiekontrolle ist es denkbar, dass chemische Medikamente durch elektronische Stimulatoren oder Blocker substituiert werden, indem sie an der gewünschten Stelle andocken und dort Nerven stimulieren oder Nervensignale abblocken, sodass das gewünschte Behandlungsziel erreicht wird. Im grossen Stil sind wir noch weit entfernt von einer solchen Revolution. Die zugehörigen Marktkräfte werden zudem versuchen, diese Entwicklung aufzuhalten, um uns vor diesen Neuerungen zu «schützen» – trotzdem ist dieser Ansatz höchst spannend und mindestens als Ergänzung zu den bisherigen Behandlungs- und Therapie-varianten eine Option.
Fazit
Nicht alle von mir aufgegriffenen Themen lassen sich unter dem Titel «Gateway to the wireless future» subsumieren, manche beinhalten kein drahtloses Element. Trotzdem lässt sich darüber philosophieren, ob die anderen Ideen und Lösungsansätze überhaupt entstanden wären, wenn wir das Thema drahtlose Übertragung nicht kennen würden. Die drahtlose Kommunikation hat sicher einen enormen Innovations- und Miniaturisierungsschub ausgelöst, welcher befruchtend auf andere Gebiete der komplexeren Industrie- und Medizinelektronik gewirkt hat. In dem Sinne können wir sehr gespannt sein, welche Lösungen in ein paar Jahren «State of the Art» sind, die heute noch utopisch klingen mögen – «The future is ours to create!»
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