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Den Mondschatten ausleuchten

Das Internet of Things, IoT, scheint allgegenwärtig. Doch viele Hersteller fragen sich: Brauche ich das wirklich für meine Produkte? Oder für mein eigenes Unternehmen? Und warum? Welche Vorteile habe ich davon, welche meine Kunden?

 

Der amerikanische Flugkörper Ranger 4 zerschellte 1962 auf dem Mond, weil er sich im Mondschatten befand, wo keine Kommunikation von der Erde aus möglich war. In einem ähnlichen «Mondschatten» stecken derzeit viele Geräte: Nach der Produktion, bzw. dem Verkauf, wissen Hersteller kaum, wo sie sich befinden oder wie sie sich verhalten. Mit Registrierungskarten, Kundenumfragen und Kontaktformularen auf Webseiten versuchen sie den Kontakt zu halten. Doch präzise und dauerhafte Aussagen zu Betriebszuständen, Produktverschleiss oder Verbraucherverhalten sind damit unmöglich.

Daten können Kunden und Herstellern Nutzen verschaffen

Mit diesen Daten könnte ein Hersteller jedoch Erkenntnisse gewinnen, die ihm und seinen Kunden Vorteile bieten: Er kann seine Produkte durch Updates auf die tatsächliche Nutzung hin optimieren. Die Chance zum Feinschliff nach dem Verkauf verkürzt die Time-to-Market; die Anbieter können ihre Markteinführungen mit höherer Frequenz takten. Der Hersteller kann seine Produktentwicklung an Änderungen des Konsumentenverhaltens anpassen. Schwachstellen am Produkt kann er nicht nur erkennen, sondern auch an aktuell im Gebrauch befindlichen Geräten aus der Ferne beheben – idealerweise bevor sie der Kunde bemerkt. Dem Nutzer gibt das Sicherheit und ein Produkt, das besser seinen Anforderungen entspricht. Zudem profitiert er von neuen Features dank Firmwareupdates.

Von überall her Daten abrufen und Geräte fernsteuern

Dies wird möglich, wenn Sensoren physikalische Grössen erfassen und diese Daten abrufbar sind – also, wenn die Geräte «smart» sind. Vom Smart TV bis hin zu elektronischen Komponenten, wie Spannungswandlermodule, gehören immer mehr dazu. Mit jedem internetfähigen Gerät gewöhnen sich Nutzer daran, von überall Daten abrufen und Geräte fernsteuern zu können. Dies gilt für die Produktionsdaten und -steuerung ebenso wie für die heimische Heizung. Damit laufen nicht-internetfähige Produkte Gefahr, sich irgendwann ausserhalb dieses Internet of Things (IoT) zu befinden – eben im Mondschatten.

Geschäftsmodelle für die digitale Welt

Mit dem IoT ziehen digitale Geschäftsmodelle auch in die physische Industrie ein – das beschreiben beispielsweise Elgar Fleisch von der ETH Zürich und Universität St. Gallen, Felix Wortmann von der Universität St. Gallen und Markus Weinberger, Direktor Bosch IoT Lab, in ihrem Beitrag «Geschäftsmodelle im Internet der Dinge»: Die digitale Welt unterscheidet sich von der physischen, z.B. hinsichtlich Grenzkosten bei Produktion, Transport und Lagerhaltung oder dem Tempo bei Transport und Produktion. Diese Unterschiede hat z.B. Google genutzt und mit einer feingranularen Steuerung den Werbemarkt revolutioniert: Eingaben in die Suchmaschine und Klicks auf Webseiten werden analysiert, um jedem Nutzer individuelle, gewinnoptimale Werbenachrichten zu präsentieren. Die Folge: Seit Jahren fliessen Werbebudgets von den physischen in digitale Plattformen. Damit reicht ein geschlossenes Produkt- lebenszyklusmanagement nicht mehr aus, Kundenbindung und Wertschöpfung ergeben sich erst aufgrund von Mehrwertservices und der Auswertung von Nutzerdaten. Fleisch, Wortmann und Weinberger nennen die Varianten «Digitally Charged Products» und «Sensor as a Service». Als «Digitally Charged Products» bezeichnen sie physische Produkte, die mit kostenpflichtigen, digitalen Value Added Ser­vices verknüpft werden, z.B. ein internetfähiger Fernseher, über den Premiumprogramme oder Pay-per-View-Angebote gebucht werden können. «Sensor as a Service» beschreibt die Idee, die gemessenen Werte zu sammeln, aufzubereiten und kostenpflichtig Dritten zur Verfügung zu stellen. Hier stehen die Daten selbst im Mittelpunkt, nicht mehr das physische Produkt.

Wo es Licht gibt, dort gibt es auch Schatten

Doch es gibt auch eine Schattenseite: Wenn sich aus der Ferne Daten aufspielen und abrufen sowie Geräte steuern lassen, kann das auch durch unautorisierte Dritte passieren. Ein Negativ-Highlight ist der Fall eines amerikanischen Automobilherstellers, bei dem über einen Hackerangriff von aussen die Steuerung des Fahrzeugs übernommen wurde.

Technologien, um die Sicherheit entscheidend zu erhöhen, stehen bereits zur Verfügung, von der Hardware über hardwarenahe Software, Firmware bis hin zu anderen, auf einer Hochsprache basierenden, Softwaresystemen. Entsprechend aufgestellte Distributoren wie beispielsweise Rutronik unterstützen ihre Kunden bei der Auswahl und Umsetzung und bewahren sie vor Fallstricken. So verlassen sich manche Hersteller z. B., auf eine WPA2 verschlüsselte WLAN-Verbindung, um die Kommunikation abzusichern, ohne zu wissen, dass diese spätestens hinter dem WiFi-Accesspoint endet. Dahinter hat weder der Nutzer noch der Hersteller Einfluss auf die Route der Datenpakete und die Transportmedien Glas, Kupfer und Luft. Hierfür bedarf es einer E2E (Ende-zu-Ende)-Verschlüsselung, bei der bereits die Rohdaten der Sensoren verschlüsselt an die Kommunikationseinheit geschickt und erst im Server entschlüsselt werden. Zusätzlich ist es wichtig, dass sich die Daten lokal zwischenspeichern lassen, für den Fall, dass die Kommunikationsverbindung einmal gestört ist.

Firmen müssen eine Kosten/Nutzen-Abwägung machen

Wie hoch der Aufwand ist, den ein Unternehmen für Sicherheitsmassnahmen betreiben kann und möchte, ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Zu bedenken ist, dass neben Sach- oder gar Personenschaden auch ein Schaden am Ruf der Marke erhebliche finanzielle Einbussen mit sich bringen kann. Es ergibt sich die Frage: Lohnt sich diese Investition überhaupt? Dies muss jedes Unternehmen auf Basis seiner eigenen Kosten/Nutzen-Abwägung beantworten. Dabei sollte auch die langfristige Wertschöpfung und Wettbewerbsfähigkeit mit einfliessen. Tut sie das, bleibt vielen Unternehmen keine Wahl – entweder sie folgen der Entwicklung oder sie werden vom Wettbewerb in den Schatten gestellt.

Nachdem Ranger 4 im Mondschatten abgestürzt war, konnte Ranger 7 zwei Jahre später immerhin seinen Absturz filmen. Erst 1969 sprach Neil Armstrong als erster Mann auf dem Mond den berühmten Satz: «Ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein riesiger Sprung für die Menschheit». Ebenso spannend wie die Eroberung des Mondes, wird auch die vierte industrielle Revolution werden. 

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