Einer der bekanntesten Zukunftsforscher Deutschlands, Sven Gábor Jánszky, hat eine optimistische Prognose zum Jahreswechsel abgegeben. In einem Interview zu den größten Trends des kommenden Jahres erläutert der Zukunftsforscher die Chancen und Herausforderungen, die in den kommenden 12 Monaten vor uns stehen.
Viele von uns haben das Jahr 2016 als Chaos-Jahr empfunden: Terror, Brexit, Trump-Wahlen … Wird es 2017 genauso weitergehen?
Sven Gabor Janszky: Ehrlich gesagt habe ich 2016 nicht als Chaos-Jahr empfunden. In Deutschland gibt es weniger Arbeitslose, der DAX geht von einem Höchststand zum nächsten, die Unternehmen verdienen sehr viel Geld, die Menschen verdienen und konsumieren mehr und wir haben die Flüchtlingskrise in den Griff bekommen. Uns geht es wirklich besser als vor 12 Monaten. Allerdings wird unsere Wahrnehmung von einer Reihe von Ereignissen in der Welt dominiert, die für viele unerwartet waren. Dass viele Menschen davon überrascht sind, ist klar. Aber als Chaos kann das nur jemand empfinden, der Veränderungen fürchtet. Ich selbst freue mich auf Veränderungen, denn sie bieten immer eine Chance zum Besseren. Mich hat 2016 eigentlich nichts überrascht. Und so wird es auch 2017 sein: Alle unter uns, die offen für Veränderungen sind, werden das Jahr 2017 als ein sehr gutes Jahr erleben. Jene die den Stillstand lieben, werden das eine oder andere Mal wieder überrascht sein.
Der Brexit oder die Trump-Wahlen verändern doch real wirklich unsere Welt. Das kann man doch nicht ignorieren!
Janszky: Nicht ignorieren, aber ins Verhältnis setzen. Der normale Deutsche wird in seinem alltäglichen Leben von Brexit und Donald Trump „gar nichts“ bis „kaum etwas“ spüren. Auch hier müssen wir ehrlich sein: Der wirkliche Gestaltungsspielraum eines US-Präsidenten ist doch sehr limitiert. Das Bild eines unberechenbaren „Master of the World“ mit dem Trump oft beschrieben wird, entspringt mehr unserer wohlstandsgenährten Grusel-Fantasie als der Wirklichkeit. Mehr noch: Im Vergleich zu den wirklich großen Entwicklungen in den Technologiebranchen, schrumpft die Macht des angeblich mächtigsten Mannes der Welt auf Zwergenniveau.
Wie meinen Sie das? Können Sie konkrete Beispiele dafür geben?
Janszky: Die Genetik wird bis zum Jahr 2019 die Kosten für die Komplettanalyse einer individuellen menschlichen DNA auf unter 100 Dollar senken. Dies kann jeder der Leser dieses Interviews bezahlen. Das ist die Basis dafür, dass wir in den Jahren danach die schlimmsten Krankheiten der Welt therapieren können, an denen unsere Elterngeneration noch gestorben ist. Die Autobranche wird bis 2025 selbstfahrende Autos ohne Lenkrad und Gaspedal auf den Markt bringen. Damit wird Mobilität nahezu kostenlos. Menschen können ihre Fahrzeiten für Sinnvolleres nutzen, als am Lenkrad zu drehen. Technologie schenkt den Menschen also einige der wichtigsten Dinge: Gesundheit, Zeit und die Lösung der größten Menschheitsprobleme wie Energie, Hunger und Wasser. All diese Entwicklungen sind möglich, weil wir intelligente Computer bekommen werden. Diese werden in etwa 30-40 Jahren sogar die menschliche Durchschnittsintelligenz erreichen und übertreffen. Die wirklich wichtige Frage ist: Wie werden wir und unsere Kinder in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts als „zweitintelligenteste Spezies der Welt“ leben? Wer sich wirklich fürchten will, der sollte sich davor fürchten. Bei allem Respekt: Verglichen mit diesen absehbaren technologischen Entwicklungen schrumpft der Einfluss des kommenden US-Präsidenten fast unter die Wahrnehmungsgrenze.
Sollten wir uns also vor der Technologie fürchten? Haben Sie Angst vor der weiteren Zukunft?
Janszky: Ja und nein. Wir reden jetzt nicht über das Jahr 2017, sondern etwa über 2050-2060. Bis dahin haben wir noch 30-40 Jahre Zeit einige wirklich große Herausforderungen zu meistern. Diese Zeit werden wir auch brauchen, denn es sind große Fragen von bisher nie dagewesener Komplexität. In der Menschheitsgeschichte hat es bisher noch nie solch eine riesige Herausforderung wie die Entstehung einer übermenschlich intelligenten Spezies gegeben. Aber ich bin trotzdem optimistisch, denn die Menschheit ist Weltmeister in der Anpassung an sich verändernde Umwelten. Ich bin sicher, dass die Menschheit es schaffen wir, sich eine positive und lebenswerte Zukunft zu gestalten. In der internationalen Diskussion der Zukunftsforscher und Top-Technologen kennen wir zwar die Antworten noch nicht, aber wir kennen die entscheidenden Fragen schon. Das ist möglicherweise schon die halbe Miete. Aber ich will auch klar zugeben, dass ich durchaus Ängste habe. Nicht wegen der technologischen Entwicklung, sondern wegen der aktuellen Ahnungslosigkeit und Untätigkeit unserer Politik und Gesellschaft. Wir Zukunftsforscher haben diese aus unserer Sicht größten zu lösenden Zukunftsfragen schon vor vielen Jahren an die deutsche Politik geschickt. Es gab bisher nie eine Antwort. Wenn wir aber nicht jetzt anfangen, die anstehenden Fragen und entsprechende Regulierungen zu debattieren, dann wird es irgendwann zu spät sein. Denn die Menschheit wird nur in den frühen Entstehungsphasen der übermenschlich intelligente Computer einen Einfluss auf deren Zukunft nehmen können. Zu einem bestimmten Zeitpunkt wird es zu spät sein. Ich habe Angst, dass die Politik aus purer Ahnungslosigkeit und Nichtkenntnis diese größte Verantwortung nicht wahrnimmt. Diese Angst habe ich schon lange. Sie wird jedes Jahr größer in dem diese entscheidenden Fragen nicht von den wahlkämpfenden Parteien gestellt werden. Ich habe sie weder von Donald Trump oder Hillary Clinton gehört, noch von irgendeiner deutschen Partei für den bevorstehenden Bundestagswahlkampf 2017.
Welcher Trend wird den Alltag der Menschen im nächsten Jahr besonders stark verändern?
Janszky: Die meisten von uns werden anfangen mit ihren Telefonen zu reden. Denn auf den Smartphones werden die Apps langsam ersetzt durch intelligente Assistenten. Wenn man heute mit den Entwicklern in China und im Silicon Valley redet, diese programmieren schon kaum mehr Apps, sie programmieren intelligente Assistenten. Das heißt: In Kürze werden auf unseren Handys Assistenten erscheinen, mit denen wir intelligente Gespräche führen können. Das wird unser aller Leben beeinflussen.
Anfang 2016 hatten Sie für die Wirtschaft im jetzt zu Ende gehenden Jahr den Durchbruch der künstlichen Intelligenz prognostiziert. Dies ist ja in großen Teilen auch so eingetreten. Was kommt denn danach, also 2017?
Janszky: Die Digitalisierung geht natürlich weiter. Der Trend für 2017 heißt „predictive enterprises“ oder „predictive software“, also Computertechnik mit Vorhersage-Funktion. Das sind Algorithmen die aus Basis von Datenanalysen bestimmte Entwicklungen in der nahen Zukunft prognostizieren können und auf dieser Basis die Koordination und Steuerung von Prozessen übernehmen. Wir werden 2017 erleben, das Unternehmen mehr und mehr auf dieser Basis ihre Produktion und ihren Verkauf gestalten. Das geht übrigens auch in unser privates Leben hinein. Denn dieselbe Technologie kann beispielweise menschliche Emotionen erkennen und analysieren. Die gibt mir dann ein Zeichen: Sagt mein Gesprächspartner gerade die Wahrheit oder verschweigt er mir etwas. Ist er gerade glücklich oder traurig. Was würden Sie tun, wenn Ihr Handy Ihnen sagt, dass Ihre Frau gerade etwas traurig ist? Und was würden Sie tun, wenn das gleiche Handy Ihnen empfiehlt ihrer Frau sofort ein bestimmtes Lob auszusprechen, weil dieses sie mit hoher Wahrscheinlichkeit glücklich machen würde? Fänden Sie das nützlich? Und was würde Ihre Frau denken, wenn sie weiß, dass sie vom Handy den Hinweis bekommen haben, den Satz aber trotzdem nicht gesagt haben?
Haben Sie einen Ratschlag, wie wir normalen Menschen uns auf die anstehenden Veränderungen vorbereiten können? Wie wir die Chance statt die Gefahr erkennen?
Janszky: Sie müssen vermeiden, sich als Opfer zu fühlen. Wenn man sich als Opfer von Digitalisierung fühlt, wenn man nur darauf schaut, dass Arbeitsplätze wegfallen, hat man ein echtes Problem. Aber wenn man das ganze Bild anschaut, auf der einen Seite fallen Arbeitsplätze weg an Maschinen, auf der anderen Seite entstehen welche. Und es entstehen wahrscheinlich mehr als wegfallen, dann hat man die Chance in der Sache begriffen.