Der Swiss Mechatronics Day 2017 liess die Teilnehmer die Mechatronik praxisnah erfahren, indem die Veranstalter «klassische» Mechatronik mit Entwicklungen und Herausforderungen der digitalisierten Welt rund um faszinierende Projekte verknüpften. Ein absoluter Hingucker des Tages war Scewo, der treppensteigende Elektrorollstuhl.
Weg mit den Barrieren
Wer hat’s erfunden? Natürlich Schweizer! Ja, es waren Schweizer Studenten der ETH Zürich, dem Silicon Valley der Hightechrobotik, die mit ihrem Scewo den Elektrorollstuhl der Superlative entwickelten. Dank ausgeklügelter Mechanik meistert er im Handumdrehen Treppenstufen, ist punkto Alltagstauglichkeit und Design Mitbewerbern eine Nase voraus. Und er ist weltweit der einzige, der sich mit einem Joystick steuern lässt. Vor allem punktet er aber im Sicherheitsbereich, denn Scewo ist stabil und lässt sich nicht kippen. Spezielle Sensoren sorgen für Richtung und Position. Derzeit besteht das Team aus fünf Leuten, nämlich zwei Designern und drei Ingenieuren. Ihr Ziel ist klar: Bis Mitte 2019 wollen sie den Scewo zertifiziert haben und mit einer neu zu gründenden Firma auf den Markt bringen.
Die Zukunft bringt den smarten Handarbeitsplatz
Philipp Schmid, Head Robotics & Automation am CSEM in Alpnach, analysierte den Schweizer Produktionsalltag, wo neben hoch automatisierten Prozessen und modernen Industrie-4.0-Konzepten noch traditionelle Handarbeitsplätze die Regel sind. Obschon sie happige Montagekosten verzeichnen, punkten sie mit hoher Dynamik und flexiblem Einsatz bei kleinen Stückzahlen. Gemeinsam mit der Credimex AG, kompetent in Bewegungstechnik, Robotik und Bildverarbeitung, sowie dem internationalen Spezialisten für hochpräzise Antriebssysteme maxon motor ag ertüftelte Philipp Schmid mit seiner Crew eine günstige und effiziente Digitalisierung des Handarbeitsplatzes. Ein ausgeklügeltes Kamerasystem unterstützt Mitarbeitende für die perfekte Umsetzung gängiger Lean-Konzepte. Ein PC mit angeschlossener Kamera beobachtet den Arbeitsbereich. Visuelle Marker verfolgen kontinuierlich Geräte, Bauteile und Hände des Montagearbeiters. Das System lernt die korrekte Ausführung der Montage, indem es die Prozessschritte des Menschen analysiert und als korrekt abspeichert. Der digitalisierte Handarbeitsplatz ist laut Philipp Schmid ein idealer Baustein für eine spätere Automatisierung mit Cobots, den kollaborativen Robotern.
Big Data in der Industrie
Mit Big Data bezeichnen wir Datenmengen, die zu gross, komplex, schnelllebig oder zu schwach strukturiert sind, als dass wir sie mit herkömmlichen Methoden anpacken können. Dazu braucht es Experten wie Dr. Stefan Pauli, Data Scientist, und das interdisziplinäre Team der LeanBI AG in Bern. Sie beraten Unternehmen, indem sie aus grossen Datenmengen wertvolle Daten extrahieren und daraus wichtige Informationen ableiten, die einen unmittelbaren Gewinn oder Vorteil erzeugen:
- bessere Entscheidungen dank hoher Transparenz
- höhere Produktqualität und höherer Durchsatz dank in Echtzeit gesteuerter Prozesse
- verbesserte Prozesse dank zusätzlichem datenbasiertem Prozessverständnis
- Produktsicherheit dank vorausschauender Wartung
Mit Fleiss und Schweiss zu Gold
Für eine Unterbrechung der Referate sorgte Prof. Dr. Christian Bermes vom Institute for Lab Automation and Mechatronics der Hochschule für Technik Rapperswil am Mittag mit einer Livepräsentation. Im Oktober 2016 hatte die ETH Zürich weltweit erstmals den Cybathlon in der Swiss Arena in Kloten organisiert als Wettkampf und Plattform für neuartige, alltagstaugliche Assistenztechnologien. Das Team HSR Enhanced beteiligte sich unter den Fittichen von Prof. Bermes, der sich speziell für cyberphysische Systeme und das Internet der Dinge interessiert, mit einem in weit über 3500 Arbeitsstunden entwickelten und aus rund 1200 Einzelteilen bestehenden Hightech-Rollstuhl. In einer atemberaubenden Schlussjagd übertrumpfte der querschnittsgelähmte Pilot Florian Hauser seine Konkurrentin aus Hong Kong sowie Mitbewerber und ergatterte die Goldmedaille unter dem Jubel seiner Fangemeinde.
Wenn Roboter zum Arm von Hackern werden
Für einen spannenden Abschluss sorgte Jan Harrie, Security Analyst der NSIDE ATTACK LOGIC GmbH, denn er simuliert realitätsnahe Cyberattacken, um in den Unternehmen Schwachstellen in Netzwerken aufzuspüren. Die Zuhörer hielten denn auch den Atem an, als er in einem unter die Haut gehenden Live-Hack den Angriff auf einen Industrieroboter aus dem Internet in Szene setzte. Die Live-Hacks von NSIDE erlauben den Gefährdeten, die meist nur glauben, was sie mit eigenen Augen sehen, einen Blick hinter die Kulissen und zeigen, wie Hacker und Spione wirklich ticken, welche Tools und Tricks sie benutzen.
Erfrischung für die grauen Zellen
Als Erfrischung für die grauen Zellen und den Körper sorgte die interaktive Roadshow Cafeteria 4.0. Das Konzept bringt dem Betrachter die wahrgenommene Komplexität und Vielfalt nahe und zeigt – während die Besucher einen digitalen Kaffee geniessen – Technologien, Trends und konkrete Anwendungen für kosteneffiziente Lösungen der Industrie 4.0.
Es war das vierte Mal, dass der Verein Swiss Mechatronics Mitglieder und Nicht-Mitglieder zu dem jährlichen Swiss Mechatronics Day einlud, um Innovationen der Mechatronik hautnah zu erleben. Wie sehr sich das Umfeld für Unternehmen wechselt, kann Geschäftsstellenleiterin Kathrin Hopkins nachvollziehen: «Die Zeiten sind vorbei, wo man sich trifft, um zwanglos Neuigkeiten auszutauschen. Heute stehen Unternehmen unter wachsendem Druck, immer effizienter und kostengünstiger zu arbeiten, Prozesse schlanker zu gestalten, Arbeitsabläufe durch Digitalisierung noch stärker zu rationalisieren und dank Vernetzung zu optimieren.»
Swiss Mechatronics Tour 2017 im Tessin
Die diesjährige Swiss Mechatronics Tour findet im Tessin statt. Am 26. und 27. Oktober werden Faulhaber Minimotor SA, Mikron SA und SUPSI besucht. Die Tour steht unter dem Thema «Komplexität erfolgreich meistern – Vermeidung, Reduzierung, Beherrschung».
Flyer Tour Tessin: 13_17.50.pdf
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