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Valley ist nicht gleich Valley

Viel wird über Start-ups berichtet und geschrieben. Wie aber werden Firmen in der Bay Area – auch mit Silicon Valley benannt – gegründet? Welche Motivation und welche Zielsetzungen führen zu der ungeheuren Gründungsgeschwindigkeit, wo liegen die Unterschiede zu den vielen «Valleys», die viele Länder der Welt zu etablieren versuchen?

 

Die Entwicklungsstufen eines neu gegründeten Unternehmens der Spitzentechnologie sehen in etwa so aus: Am Anfang steht die Inspiration. Jemand hat die Idee zu einem neuen Produkt oder einer neuen Dienstleistung. Obwohl die Firmengründer in Silicon Valley sich in vielerlei Hinsicht – also zum Beispiel in Ausbildung, Erfahrung oder Lebensstil – unterscheiden, ist den meisten eines gemeinsam: Sie hatten bereits einen Job bei einer Firma derselben Branche. Jetzt wollen sie jedoch ihre persönliche Idee auf eigene Faust umsetzen.

 

Basis sind Industriebeziehungen und Erfahrungen

 

Die zweite Gruppe entwickelte sich während dem Studium oder dem Post-Doc. Eine neue Technologie bestimmt dabei, meist unter Beteiligung ihres Doktorvaters oder Professors, den Lead, der seine Industriebeziehungen und jahrelangen Erfahrungen mit einbringt. So gehören etwa Serge und Larry, die Gründer von Google, zu dieser Gruppe oder die sieben Gründerväter von Silicon Graphics mit ihrem Standford Park Universitätsprofessor Jim Clark.

 

Sie alle begeben sich auf die Suche nach «Mitstreitern», wonach vorab ein Gründerteam aufgestellt werden muss. Dabei können sie sich an Headhunter-Firmen, oft aber auch an ehemalige Kollegen oder Konkurrenten wenden. Denn viele wollen beim «Next big Thing» dabei sein. Wer möglichst frühzeitig mit von der Partie ist, dem winken bei Erfolg umso grössere Aktienanteile am neuen Unternehmen.

 

Grossteil des Kapitals kommt von Risikofinanciers

 

Dann wird ein Businessplan, mithin ein Unternehmensplan erstellt. Dieser enthält eine genaue Beschreibung der geplanten Produkte oder Dienstleistungen und behandelt auch mögliche Gefahren und Strategien, um erstere zu überwinden. Nun muss die Finanzierung geregelt werden. Zu allererst legen die Gründer normalerweise ihr eigenes Geld zusammen, fragen sodann bei Freunden und Verwandten nach und legen den Unternehmensplan Geschäftspartnern, Banken und anderen möglichen Kreditquellen vor. In den meisten Fällen stellen allerdings Risikofinanciers den Grossteil des Kapitals zur Verfügung. Häufig wird der Businessplan auf Wunsch der Financiers leicht modifiziert. Nach wenigen Jahren hat die Firma entweder schon Konkurs anmelden müssen oder ist bereits aus der «Gefahrenzone» heraus. Zu diesem Zeitpunkt steigen oft auch konventionellere Kreditgeber wie Banken ein. Manche Venture-Kapitalgeber verlassen dann die Firma, um sich neuen Projekten zu widmen – nicht ohne ihre Anteile mit grossem Gewinn verkauft zu haben.

 

Sprung an die Börse zeigt Firmenwert

 

Einige Zeit später wird der Sprung an die Börse in Betracht gezogen. Das ist ein wesentlicher Schritt für die Firma: An diesem Tag erweist sich der tatsächliche Wert des Unternehmens, an welchem die Gründer über Nacht zu Millionären werden können. Auch für Risikokapitalgeber bietet ein Börsengang die grössten Gewinnaussichten. Doch lediglich 20% der Unternehmensgründungen der New Economy erweisen sich als Erfolg. Allerdings bildet der Börsengang nur eine der Möglichkeiten, um den Erfolg auch konkret in Kapital umzusetzen. Laufend werden in Silicon Valley auch kleinere Firmen von anderen geschluckt oder schliessen sich in einer neuen Firma zusammen. Findige Unternehmer machen sich diesen Trend zunutze: Start-ups werden schon bei der Gründung rein darauf ausgelegt, später an eine etablierte Firma verkauft zu werden – oft sogar lange, bevor sie sich in der Profitzone befinden. So kommen Unternehmen zustande, die erst gar keine realistischen Aussichten auf Profit haben, da sie beispielsweise eine populäre Dienstleistung völlig kostenlos im Internet anbieten und Unmengen von Venture-Kapital in Marketing und Werbung stecken. Der Gewinn wird einige Monate nach der Firmengründung beim Verkauf der Firma inklusive erstellter Internetseiten, Software, Technologien und Kunden bzw. Benutzern des Services an eine grosse Firma erzielt. In der Praxis ist es aber so, dass es vielfach an Käufern für derartige Unternehmen mangelt.

 

The Two Economies

 

Laut Martin Kenney von der Stanford University lassen sich die Firmen im Silicon Valley in zwei grosse Gruppen einteilen: «Herkömmliche» Unternehmen und solche, die sich rein auf die Unterstützung von Start-ups konzentrieren. Er nennt diese beiden Bereiche die «Two Economies» vom Silicon Valley. Beide sind durch die gemeinsame Geschichte sowie durch persönliche und technologische Beziehungen miteinander verbunden, jedoch klar gegeneinander abgegrenzt.

 

Die «Economy One» besteht aus etablierten Firmen, Forschungslabors, Universitäten und spezialisierten Dienstleistungsunternehmen. Deren Ziel liegt entweder im Profit und Wachstum oder in Forschung und Entwicklung. Diese Firmen unterstützen natürlich keine «Spin-offs», sie streben vielmehr nach eigenem, wirtschaftlichen Erfolg. Quasi als Nebenprodukt ihrer Tätigkeit entstehen in diesen Firmen aber oft neue Erfindungen, von denen manche von ebenso neuen, unabhängigen Firmen kapitalisiert werden. In der Elektronikindustrie sind grosse, etablierte Unternehmen oftmals unwillig oder unfähig, diese neuen Entwicklungen zu nutzen: oder – noch schlimmer – übersehen diese ganz einfach.

 

Spezialisten wandeln Ideen in funktionierende Firmen

 

Die «Economy Two» hat das Ziel, die Entstehung neuer Firmen zu unterstützen und zu erleichtern: sie bietet spezielle Dienstleistungen für Start-ups, vereinfacht damit die Schaffung neuer Technologieunternehmungen und beschleunigt ihr frühes Wachstum. Die «Produkte» dieses Wirtschaftszweigs sind die effektiv neuen Firmen. Die Aufgabe der Spezialistenteams in der «Economy Two» liegt darin, die Technologie oder Idee der Firmengründer in eine funktionierende Unternehmung umzuwandeln. Dank ihrer Erfahrung auf diesem Gebiet können sie die Ressourcen, welche für ein Start-up benötigt werden, rasch herbeischaffen. Sie übernehmen relativ routinemäs­sige, aber notwendige und zeitaufwendige Tätigkeiten, die da sind: gesetzliche Firmengründung und Eintragung ins Handelsregister, Anwerbung von erfahrenem Personal, Anschaffung von Büroflächen, Ausstattung mit Möbeln, Schaffung eines funktionierenden Buchhaltungssystems, sowie Organisation und Herbeischaffen einer Vielzahl anderer Waren und Dienstleistungen.

 

Ein Netzwerk aus Firmen, Branchen und Spezialisten wirkt auch mit

 

So besteht die «Economy Two» vor allem aus Anwaltskanzleien, die durch langjährige Erfahrung auf die typischen Aufgaben von Hightech-Start-ups spezialisiert sind – z. B. Feststellung, wer ein bestimmtes geistiges Eigentum besitzt: eine Firma oder einer ihrer früheren Angestellten, der jetzt selbst eine Firma gründet.

 

Dann die Investment-Banken, die sich vor allem in der Gegend von San Francisco, in der Bay Area, befinden. Sie sind auf das Management von Börsengängen – englisch IPOs – spezialisiert, pflegen gute Verbindungen zu Venture-Kapital-Gebern usw. Headhunter wiederum finden dann qualifiziertes Personal für das neue Unternehmen und Marketingorganisationen wie die berühmte McKenna Group bringen sich auch erfolgreich ein. Andere Spezialisten, wie z. B. IDO Inc., San Francisco, beraten als extern versierte Design- und Produktegestaltungsspezialisten Unternehmen in Bezug auf die Gestaltung von Benutzer-Interfaces. Und dann selbstredend auch Betriebe, die sich um die Liquidierung gescheiterter Firmen kümmern. Im letzteren Fall wird zuerst versucht, die gesamte Firma billig zu verkaufen. Wenn sich kein Käufer findet, wird die Firma liquidiert. Alles, was nur irgendwie zu Geld gemacht werden kann, wird verkauft: Möbel, Büroräume, geistiges Eigentum, Patente usw.

 

Firmen finden dauernd neue Marktlücken

 

Die «Economy Two» ist einzigartig für das Silicon Valley. Andere Industrie-Cluster haben zwar manchmal eigene Industriezweige, die sich ausschliesslich auf die Wachstumsförderung bestehender Firmen konzentrieren. Im Silicon Valley geht es jedoch um das rasche und reibungslose Entstehen neuer Unternehmen. Die Firmen der «Economy Two» gehen in letzter Zeit zunehmend spezialisierter vor. Laufend werden neue Marktlücken entdeckt. Häufig bieten diese Firmen ihre Dienste unter dem Marktpreis an – und erhalten im Gegenzug dazu entweder Firmenanteile oder das Versprechen, die neue Firma auch in Zukunft als Kunde zu behalten. Das Modell der «Two Economies» hat viele Vorteile. Zwar müssen die Unternehmer oft einen Teil der Kontrolle über die eigene Firma anderen anvertrauen; dafür erhalten sie Zugang zu Ressourcen, die das frühe Wachstum stärker beschleunigen, als sie es auf eigene Faust geschafft hätten.

 

Die Fachgruppe FAEL (Elektronik und Informatik) führt auch 2018 eine Studienreise in die Bay Area durch (www.facebook.com/swissengineering). Zwischen San Francisco und San José werden Unternehmen besucht, die Einblick in die Verhältnisse des Silicon Valleys erlauben. Übrigens – Buchungen sind zurzeit noch auf Warteliste möglich. 

 

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