Einkäufer müssen Angebote aus unterschiedlichen Materialien vergleichen, mit langen Listen der Hersteller über deren Vorteile, zudem sollen sie Zertifizierungen und Eigenheiten der Anbieter berücksichtigen. Eine gute Zusammenarbeit mit der Produktentwicklung erleichtert diese Aufgabe in einem dynamischen Marktumfeld wie der Elektronik. Unglücklicherweise ist dieser Zusammenhalt vielerorts gefährdet – wie Foreneinträge im BME-Forum 2016 zeigen. Die gemeinsame, umfangreichere Betrachtung der Life-Cycle-Kosten (LCC) kann helfen, dass Abteilungen wieder besser zusammenarbeiten. Dabei teilt man den Lebenslauf eines Produkts oder eines Bestandteils in drei Phasen ein und verteilt die anfallenden Kosten auf Stück- und Anbieterebene.
LCC-Phase I: Auswahl und Beschaffung
Die erste Phase betrachtet die Zeit vor der Nutzung und umfasst Kosten, die firmenintern anfallen, um die Pflichtkriterien an das Objekt zu formulieren, mögliche Lieferanten zu identifizieren und Offerten einzuholen. Dazu zählen auch die Angebotsauswertung, Qualifikation und Auditierung eines Lieferanten und eventuell die Neuanlage im ERP-System.
Im vorliegenden Vergleich zwischen zwei einphasigen DIN-Schienen-Netzteilen mit 10 A bei 24-V-Ausgangsspannung ermittelte man für das Gerät des Stromversorgungsherstellers Puls allgemeine Kosten (unter anderem für Audits am Produktionsstandort in Tschechien) in Höhe von 2300 € und Stückkosten pro Netzteil (CP10.241) von 179,15 €.
Der zweite Anbieter liegt aufgrund höherer Reisekosten zur Auditierung (Produktions-standort in Asien) mit 7300 € höher und ist mit 129,45 € bei den Stückkosten, trotz Zuschläge für Logistik und Garantieverlängerung auf 3 Jahre, beinahe 50 € günstiger. Um die Beispielrechnung fortzuführen, gehen wir von jährlich 1000 Netzteilen über einen Produktionszeitraum von 10 Jahren aus. Eine Umlage der Einmalkosten auf die Stückkosten im Serienzeitraum ergibt, dass sich Puls – trotz der niedrigeren Einmalkosten – mit 179,38 € pro Gerät dem Wettbewerber mit 130,18 € pro Gerät geschlagen geben muss.
LCC-Phase II: Nutzung
Im Rahmen der durch VDI 2884 beschriebenen Phasen beginnt nun die Phase während der Nutzung. Ein Hersteller könnte argumentieren, dass die Nutzungsphase nicht in seinen Betrachtungshorizont gehört, denn schliesslich nutzen seine Kunden das finale Produkt bzw. die Anlage, und nicht der Hersteller selbst. In den letzten Jahrzehnten ist diese kurzsichtige und kundenvernachlässigende Sichtweise jedoch weitestgehend verschwunden.
Die Nutzungsphase bietet dem Hersteller viel mehr die Möglichkeit, seine Kunden durch ein perfektes Produkt zu überzeugen und damit die Weichen für die weitere Zusammenarbeit zu stellen. In diesem Zeitraum erfasst man alle verbrauchsabhängigen Kosten sowie Reparatur-, Wartungs-, Austausch- und Logistikkosten. Im vorliegenden Beispiel beträgt die Nutzungsdauer 10 Jahre und es wird ein Dauerbetrieb (24/7) bei 25 °C Umgebungstemperatur angenommen. 20 % der Zeit läuft das System im Ruhemodus. Zur Vereinfachung rechnet man mit konstanten Kosten von 0,08 € pro kWh.
Auf Netzteil-Stückkosten-Ebene verbraucht das Puls-Gerät (CP10.241), aufgrund seines hohen Spitzenwirkungsgrads von 95,2 %, in 10 Jahren im Leerlauf Strom für 2,83 € und im Betrieb für 68,60 €. Beim Wettbewerbsgerät sind deutlich höhere Verluste in Form von Wärme zu beobachten. Das Netzgerät verbraucht im selben Zeitraum Strom für 7,09 € im Leerlauf und 141,74 € im Betrieb und verursacht damit mehr als das doppelte an Kosten. Zur Neutralisierung der durch die Wärmeverluste entstandenen CO2-Belastung entstehen dem Kunden bzw. Betreiber beim Einsatz des Wettbewerbsgeräts mit 7,80 € ebenfalls deutlich höhere Kosten, als beim Einsatz des Puls-Netzteils mit 3,75 €. Dieser Berechnung liegt die Annahme zugrunde, dass die Kompensation einer Tonne CO2 ca. 15 € kostet und zur Erzeugung von 1 kWh ca. 0,28 kg CO2 anfallen (Umweltbundesamt-Online-CO2-Rechner).
Aufgrund der vorliegenden MTTF-Berechnungen muss man bei Puls pro Gerät ca. 22,94 € an Rücklagen für Ausfälle und beim Wettbewerb 10,41 € pro Netzteil einkalkulieren. Die angegebenen Haltbarkeiten zeigen auf, dass beim Wettbewerber in Summe 2,14 Netzteile erforderlich sind, um die Nutzungsdauer von 10 Jahren zu erreichen. Aus diesem Grund ist der Wettbewerber mit 1,14 × dem Produktpreis pro Stück zu beaufschlagen. Zudem wäre es dem Hersteller nicht möglich, seinem Kunden eine zehnjährige Nutzungsdauer zu bestätigen.
Durch eine Revisionsänderung beim Wettbewerb erfolgt zusätzlich die Neuqualifizierung des Nachfolgergerätetyps, den ein externer Fertigungsdienstleister produziert. Dies erfordert ca. 75 % der Aufwände einer Neuanlage aus Phase «Auswahl und Beschaffung» und es entstehen in der Nutzungsphase Kosten in Höhe von 5572,09 €. Bei Puls entstehen diese Aufwände nicht. Zusammenfassend belaufen sich die Kosten pro Stück für das Puls-Gerät (CP10.241) über die Nutzungsdauer von 10 Jahren auf 103,13 € und für den Wettbewerbsgerät auf 304,56 €. Aus dieser Phase geht das Puls-Netzgerät als klarer Gewinner hervor.
LCC-Phase III: Entsorgung und Recycling
In der dritten und letzten Phase nach der Nutzung des Lebenszyklus fasst man sämtliche Kosten zur Demontage und Entsorgung des Geräts zusammen. Aufgrund des höheren Gewichts des Wettbewerber-Netzteils und der benötigten 2,14 Geräte im Lebenszyklus, beläuft sich der Demontageaufwand auf ca. 1,16 € pro Gerät. Da man Elektroschrott nach Gewicht abrechnet, ergibt sich durch das deutlich geringere Gewicht, aber etwas aufwändigerer Demontage, für das Puls-Gerät auf Aufwand von 4,86 €.
Fazit
Die Kalkulation zeigt, dass eine einzelne Phase zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit nicht ausreicht. Denn das Kostenverhältnis wandelt sich im Lebenszyklus. Die zu Beginn naheliegende Hypothese «Puls ist um 45,6 % teurer als der Wettbewerb» wandelt sich zu «Der Wettbewerb ist um 51,8 % teurer als Puls». Insbesondere in der für den Kunden wichtigen Nutzungsphase spart der Anwender mit dem Puls-Netzteil fast zwei Drittel der Kosten. Über den gesamten Lebenszyklus hinweg lassen sich gemäss diesen Betrachtungen 149,09 € pro Gerät einsparen.
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