Wie sieht eine Stromversorgung von morgen aus, im Zeitalter der Digitalisierung?
Bernhard Erdl: Da die Stromversorgung immer mehr zur Informationsquelle wird, sehe ich für den Anwender grosses Potenzial. Sie ist die Schnittstelle zwischen AC und DC, also Aussenwelt und Innenleben einer Anlage. Hier lassen sich zuverlässige und hochwertige Daten über den Zustand eines Systems gewinnen, Stichwort Predictive Maintenance.
Inzwischen ist fast jede Komponente im Schaltschrank digitalisiert und liefert Daten. Was machen wir mit den Datenbergen?
Erdl: Wichtig ist die zentrale Verwaltung dieser Daten und dass der Anwender weiss, was er damit anfangen kann – ein Daten-Overkill muss verhindert werden. Die Informationen, die unser neues QT40 mit IO-Link-Schnittstelle liefert, kann der Kunde beispielsweise dafür nutzen, seine Anlage zu optimieren, präventiv zu warten und damit letztendlich Geld zu sparen. Das ist ein ganz konkreter Mehrwert.
Wie gehen Sie bei der Entwicklung von vernetzten Stromversorgungen vor?
Erdl: Wir entwickeln unsere vernetzbaren Stromversorgungen und digitalen Services in enger Abstimmung mit unseren Kunden und nutzen dabei viele Ansätze aus dem Design Thinking, wie z.B. das Prototyping. Wenn die Anwender von Anfang an dabei sind, erhalten wir wertvolles Feedback und schaffen Lösungen, die ihnen Arbeit abnehmen. Vernetzung ist wichtig, aber sie muss für den Anwender eben auch ganz einfach sein.
Welche weiteren technischen Entwicklungen halten Sie für relevant?
Erdl: Eine weitere Entwicklung, die wir beobachten, ist der steigende Energiebedarf in allen Industrien. Dabei sind auch immer häufiger effiziente Netzteillösungen für hohe Leistungen im kW-Bereich gefragt. Das ist sicherlich ein Markt mit viel Potenzial, in den wir uns stärker einbringen werden.
Haben Sie hierfür ein Beispiel?
Erdl: Für ein Kundenprojekt haben wir kürzlich eine modulare 32-kW-Lösung entwickelt. Dazu werden vier 8-kW-Stromversorgungen
parallel betrieben. Durch den Wirkungsgrad von 96 % und ein geschicktes thermisches Design ist das System noch vollständig konvektionsgekühlt. Dieses Beispiel zeigt ganz gut, dass man die Optimierung der Kernfunktionen einer Stromversorgung nie aus den Augen verlieren darf – Wirkungsgrad, Lebensdauer, Zuverlässigkeit und kompakte Bauform.
Welche Rolle spielt aktuell das Entwicklungsteam in Wien, das Sie im Jahr 2017 von Artesyn übernommen haben?
Erdl: Aufgrund ihres Artesyn-Backgrounds bringen die 30 Entwickler viel Wissen und Erfahrung aus der Telekommunikationsbranche ein. Das hilft uns beispielsweise bei den bereits erwähnten Kommunikationsschnittstellen im Bereich Industrie 4.0 sehr stark. Ausserdem bieten sich uns ganz neue Chancen, wenn das Entwicklungsteam auf einen Schlag von 70 auf 100 Entwickler anwächst. Davon profitieren auch unsere Kunden.
Haben Sie weitere Pläne für Wien?
Erdl: Was wir in Wien aufgebaut haben, ist eigentlich kein Standort im klassischen Sinne. Wir bezeichnen es als Innovation-Lab, weil wir hier neue Ideen und Techniken in der Entwicklung ausprobieren. Herangehensweisen, die gut funktionieren, übernehmen wir weltweit. Wir werden dadurch als Unternehmen flexibler und schneller. Das Ganze hat eine richtige Start-up-Dynamik.
Die Elektronikbranche kämpft weltweit mit Allokation, Bauteilknappheit. Wie beeinflusst dies die Verfügbarkeit Ihrer Produkte?
Erdl: Die Verfügbarkeit unserer Produkte und unsere Liefertreue leiden darunter bislang nicht. Wir haben grosse Bauteil- und Gerätelager aufgebaut, von denen unsere Kunden jetzt profitieren. Im Juli 2018 haben wir eine durchschnittliche Liefertreue von 99,8 % erreichen können. Unsere Kunden sind derzeit also weltweit gut versorgt. Eine schnelle Entspannung der Bauteilsituation halte ich dennoch für unwahrscheinlich.
Wie planen Sie auf lange Sicht?
Erdl: Unsere Strategie basiert auf kurzen Entscheidungswegen und einem globalen Supply-Chain-Management. Unsere Werke in Tschechien und China arbeiten eng und effektiv zusammen. Ausserdem legen wir viel Wert auf eine kooperative und internationale Vernetzung mit unseren Lieferanten. Dazu regelmässig neue Partner zu qualifizieren.
Sie haben eben das Werk in China erwähnt. Wie gehen Sie mit den verschärften Schutzzöllen in den USA um?
Erdl: Diese Entwicklung hatte sich ja bereits abgezeichnet und wir haben entsprechende Vorbereitungen getroffen. Die Schutzzölle betreffen ausschliesslich unsere Produkte, die in China produziert und in die USA importiert werden sollten. Deshalb haben wir unsere Kapazitäten in Europa weiter hochgefahren. Jetzt bewährt es sich, dass wir unsere beiden Werke in Tschechien und China parallel weiterentwickelt haben. Die Teams können sich so gegenseitig unterstützen und auch solche Herausforderungen meistern. Und mit der Übernahme von Etasyn im Erzgebirge steht uns sogar ein dritter vollausgestatteter Fertigungsstandort in Deutschland zur Verfügung.
Sind mit den Schutzzöllen Preiserhöhungen in den USA verbunden?
Erdl: Ja, ohne entsprechende Preiserhöhungen in den USA können wir das nicht stemmen. Das ganze Thema ist schon eine logistische Herausforderung, die uns viele Ressourcen kostet.
Stichwort China. Wie schätzen Sie Ihr weiteres Wachstumspotenzial in China ein?
Erdl: Der chinesische Markt bleibt weiterhin zentral für unser Wachstum. In diesem Jahr ist unser Umsatz in China um mehr als 20 % gestiegen. Das Land setzt immer mehr auf qualitativ hochwertige Technologie – sowohl im Consumer-Geschäft als auch in der Industrie. Damit treffen wir mit unserem Produktportfolio hier genau den Nerv und werden unsere Aktivitäten weiter verstärken.
Gibt es noch weitere Expansionspläne für Asien?
Erdl: In Japan werden wir Anfang 2019 eine eigene Niederlassung gründen, um lokalen Support anbieten zu können. Das ist ein sehr spannendes Projekt. Und auch Südkorea – als Tor zur Halbleiterindustrie – spielt für uns eine wichtige Rolle. Hier arbeiten wir sehr intensiv mit einem lokalen Partner zusammen.
Der japanische Markt gilt als hart umkämpft. Was versprechen Sie sich von einer Niederlassung?
Erdl: Die japanische Wirtschaft ist in der Hochtechnologie sehr stark und versteht sich ausgezeichnet auf den internationalen Handel. Allerdings ist der erfolgreiche Markteintritt für westliche Unternehmen nicht so leicht. Japanische Ingenieure hinterfragen alles und sind in ihrer Recherche meist noch gründlicher als die Deutschen. Hier können wir mit unserem technischen Know-how und unserer gründlichen Dokumentation punkten. Das erfordert allerdings einen intensiven, persönlichen Support.
Was überzeugt Sie davon, dass Sie mit Ihrem Unternehmen für die kommenden Jahre optimal aufgestellt sind?
Erdl: Ich denke, wir sind auf dem richtigen Weg, weil uns das unsere Kunden und Mitarbeiter immer wieder bestätigen. Langfristige Beziehungen, die auf partnerschaftlichem Vertrauen basieren, sind uns wichtig und die pflegen wir auch intensiv. Man kann sich auf uns als spezialisierten Partner verlassen. Nicht zuletzt spiegelt sich der Erfolg natürlich auch in unseren Umsatzzahlen wider, mit denen wir sehr zufrieden sind. 2018 wird die Puls-Gruppe einen Umsatz von 166 Mio. Euro erwirtschaften. Und letztlich weiss ich auch, an welchen neuen Produkten in unserer Entwicklungsabteilung gerade intensiv gearbeitet wird. Da sind einige Highlights für die nächsten Monate dabei. Mehr will ich aber an dieser Stelle noch nicht verraten.
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