Das Interesse der Industrie an automatisierten Systemen zur bedarfsgerechten, berührungslosen und intelligenten Reinigung ist gross – auch um die Reinigungserfolge besser und grossflächig validieren zu können. Denn gerade in der Lebensmittelproduktion ist die Hygiene ein entscheidender Faktor mit direkten Auswirkungen auf die Lebensmittelsicherheit. Wo befinden sich die Verschmutzungen? Welcher Art sind sie? Was sind passende Reinigungsmedien? War die Reinigung erfolgreich? Fragen, die bei manuellen Prozessen Menschen beantworten und bewerten müssen und deren Validierung häufig nur stichprobenartig und lokal, z. B. über Abklatschtests erfolgt. Die Idee für den ersten Prototyp des MCD-Gerätes entstand im Rahmen des EU-Projekts «PickNPack» zur Entwicklung einer flexiblen und modularen Verpackungsanlage. «Unsere Aufgabe war die Entwicklung eines Reinigungssystems. Aufgrund der Modularität der Anlage war die Integration eines konventionellen CIP-Systems aber nicht zielführend», erklärt Roman Murcek, Projektverantwortlicher für das MCD am Fraunhofer IVV. Ein mobiles, flexibles Reinigungs- gerät, das alle produktberührenden Oberflächen der Anlagen hygienegerecht ohne Risiko von Kreuzkontaminationen reinigt, bot sich als Lösung an.
Verschmutzungsgrad bestimmt Reinigungsmedien
Heute ist das MCD mit sieben Düsen ausgestattet, die abhängig von der Art und dem Grad der Verschmutzung unterschiedliche Reinigungsmedien wie Wasser oder Schaum mit bis zu 10 bar aufbringen können. In den Verarbeitungsanlagen folgt es dem Produktweg und wird auf dem bestehenden Transportsystem durch die Maschine bewegt. Für andere Reinigungsaufgaben ohne Förderband wurde ein selbstfahrendes System konzipiert. Dabei wird entweder ein selbstfahrendes Zusatzmodul genutzt oder Motoren und Räder werden direkt am Reinigungsgerät montiert. Während der Fahrt durch das zu reinigende Objekt sendet das MCD UV-Licht aus, um die in der Regel fluoreszierenden organischen Schmutzpartikel wie Fettrückstände mittels einer Kamera zu detektieren. «Mit dem eingesetzten UV-Licht erzeugen wir in den meisten Fällen die besten Kontraste, da durch die Anregung kaum sichtbare Lichtanteile entstehen», erläutert der Projektverantwortliche. Entsprechend der registrierten Verschmutzung und räumlichen Abmessungen reinigt das MCD bedarfsgerecht, indem es z.B. stark verschmutzte Bereiche stärker einschäumt. Jede Düse kann dabei individuell angesteuert werden.
Reinigungsmedien, Wasserdruck und -temperatur können so zum einen variiert, zum anderen auch exakt eingesetzt werden, um das beste Ergebnis zu erhalten. Nach dem Vorspülen, Einschäumen und Nachspülen überprüft und protokolliert das Gerät das Reinigungsergebnis. Gesteuert wird das MCD über WLAN, die Energieversorgung wird mittels Akkus realisiert. «Einzige physische Schnittstelle ist ein Schlauch zur Versorgung mit dem Reinigungsmedium», erklärt Murcek. Dieser ist an eine Versorgungsstation angeschlossen und versorgt das MCD mit Wasser, Schaum oder anderen Reinigungsmedien – ganz einfach ohne Umrüstung durch dieselben Düsen.
Optische Sensorik detektiert auch geringe Verschmutzungen
Hardwareseitiges Herzstück des optischen Systems zur Schmutzerkennung und bedarfsgerechten Reinigung ist eine GigE-Kamera der CX-Serie mit 5 Megapixel. «Seit Jahren setzen wir in verschiedensten Versuchsständen unter anderem Kameras von Baumer ein, um z. B. Reinigungsprozesse zu überwachen und zu quantifizieren oder um Verschmutzungen auf Oberflächen zu detektieren. Aufgrund der guten Erfahrungen haben wir auch beim MCD auf Baumer gesetzt», erklärt Murcek. Wichtig für die Detektion von schwach fluoreszierenden Verschmutzungen unter UV-Licht sind eine gute Bildqualität und hohe Lichtempfindlichkeit der Kamera. Mit 5 Megapixel Auflösung eignet sich die Kamera zudem optimal, um kleine verschmutzte Areale in einem grossen Bildbereich ohne Informationsverlust zu erkennen. Die Bildauswertung erfolgt dank Third-Party-Kompatibilität aktuell über MATLAB und LabVIEW.
Die Auswahl der korrekten Reinigungsparameter setzt eine räumliche Orientierung des MCD in der Maschine voraus. Zur genauen Positionsbestimmung kommt ein induktiver Näherungsschalter von Baumer der Serie IFBR 17 mit passender Befestigung zum Einsatz – komplett im Hygienedesign aus Edelstahl. Seit drei Jahren unterstützt Baumer das Fraunhofer IVV mit qualitativ hochwertigen Sensoren, die dank der konsequenten Spezia-lisierung für die Lebensmittel- und Getränkeindustrie optimal auf die hohen Anforderungen lebensmittelproduzierender Bereiche ausgelegt sind. Die eingesetzten Sensoren mit Schutzart IP69K sind strahlwassergeschützt, korrosionsfrei und hochdruckreinigungsfest. Das EHEDG-zertifizierte und Ecolab-geprüfte hygienegerechte Gehäusedesign ist chemikalienbeständig selbst gegenüber aggressiven Reinigungs- und Desinfektionsmedien, frei von Toträumen und verfügt über glatte Oberflächen, an denen Verunreinigungen keinen Halt finden. Damit ermöglicht der Induktivsensor dem MCD eine hygienegerechte, reinigungsbeständige und zuverlässige Positionsbestimmung.
Zukunftsvision ist eine autonome Steuerung dank virtuellem Zwilling
Das MCD wird am Fraunhofer IVV als Technologieträger fortlaufend weiterentwickelt. «In der aktuellen Version arbeitet das Gerät noch mit festen Ablaufstrukturen. Derzeitige Forschungsinhalte sind die komplett autonome Steuerung mittels eines virtuellen Zwillings der zu reinigenden Anlage sowie die softwareseitige Integration der Reinigungssensorik», erläutert Murcek den aktuellen Entwicklungsstand. Mithilfe des virtuellen Zwillings kann das Reinigungsgerät simulationsgestützt selbstständig die optimalen Parameter für die Reinigung ermitteln. Verknüpft mit den Daten des optischen Sensorsystems kann genau bestimmt werden, wo sich Verschmutzungen befinden. «Die CAD-Daten der Maschine werden in Kombination mit eigens entwickelter Software zur Spritzschattensimulation verwendet, um Reinigungsprozesse bereits im Vorfeld ohne aufwendige Praxistests möglichst effizient auszulegen», erklärt der Fraunhofer-Mitarbeiter. In der Zukunftsvision kann das MCD damit komplett autark arbeiten – ohne vorhergehende Programmierung fester Reinigungsabläufe. Grosses Potenzial sieht die Industrie bereits jetzt, denn Gespräche mit möglichen Anwendern und Vertriebspartnern laufen bereits, um die Maschinen von morgen noch besser zu gestalten.
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