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Wundermaterial mit Überraschungen

Es ist kaum zu glauben, dass es ein Material gibt, das mit so vielen Superlativen beschrieben wird wie Graphen. Seit seiner Entdeckung in 2004 fanden Forscher heraus, dass dieses honigwabenähnliche Blatt aus Kohlenstoffatomen unter anderem nicht nur extrem dünn, sondern auch besonders leicht und flexibel ist und besser leitet als Kupfer.

 

Physiker vom MIT und der Harvard University entdeckten vor kurzem, dass dieses Wundermaterial noch weitere hochinteressante elektronische Eigenschaften aufweist. In zwei Berichten in «Nature» beschreibt das Team, dass Graphen für zwei elektrische Extreme abgestimmt werden kann: Als Isolator, der den Elektronenfluss total blockiert – und als Supraleiter, in dem der Elektronenfluss ohne Widerstand fliesst. In der Vergangenheit konnten Forscher Graphen als Supraleiter synthetisieren, wobei das Materital mit anderen supraleitenden Metallen «kontaktiert» wurde – eine Anordnung, bei der das Graphen einige supraleitende Verhaltensweisen erben kann.

 

Graphen kann von sich aus als Supraleiter fungieren

 

Nunmehr fand man einen Weg, damit Graphen das Supraleiten von sich aus kann. Das demonstriert, dass die Supraleitung eine intrinsische Qualität des reinen Kohlenstoffmaterials sein kann. Die Physiker erzeugten dafür ein «Supergitter» aus zwei gestapelten Graphenblättern, die aber nicht genau aufeinanderliegen, sondern mit dem magischen Winkel von nur 1,1 ° gegeneinander rotieren.

 

Dadurch, dass das überlagernde, hexagonale Bienenwabenmuster ganz leicht versetzt ist, ergibt sich eine präzise Moiré-Konfiguration, von der man annimmt, dass sie stark korrelierte Interaktionen zwischen den Elektronen der Graphenblätter hervorruft. In jeder anderen Stapelkonfiguration bleibt das Graphen gewissermassen abgegrenzt und interagiert, elektronisch oder auf andere Art und Weise, nur sehr wenig mit den benachbarten Schichten.

 

Graphenblätter zeigen isolierendes Verhalten

 

Das Team, unter Leitung von MIT-Physikprofessor Pablo Jarillo-Herrero, stellte fest, dass wenn die zwei Graphenblätter mit dem bewussten Winkel rotiert werden, sie ein isolierendes Verhalten zeigen, ähnlich einer exotischen Materialklasse, die als Mott-Isolatoren bekannt ist. Sobald die Forscher an den Graphenstapel eine bestimmte Spannung anlegten und damit einige wenige Elektronen in das Graphensupergitter einfügten, brachen die Elektronen aus dem ursprünglichen isolierten Zustand heraus und flossen ohne Widerstand wie in einem Supraleiter. Jarillo-Herrero: «Wir können nunmehr Graphen als neue Plattform für die Untersuchung der Supraleitung verwenden. Man kann sich auch die Herstellung von supraleitenden Graphentransistoren vorstellen, die zwischen Supraleitung und Isolation hin- und hergeschaltet werden.»

 

Zwischen den Bändern befindet sich eine Energielücke

 

Dass Material Elektrizität leiten kann, wird normalerweise in Energiebändern repräsentiert. Ein einzelnes Band umfasst einen Energiebereich, den die Elektronen des Materials aufweisen können. Zwischen den Bändern befindet sich eine Energielücke. Sobald ein Band voll ist, muss ein Elektron über zusätzliche Energie verfügen, um die Lücke zu überspringen und im folgenden leeren Band zu verbleiben. Ein Material wird als Isolator angesehen, wenn das letzte besetzte Energieband komplett mit Elektronen gefüllt ist. Elektrische Leiter, wie Metalle, zeigen jedoch zum Teil gefüllte Energiebänder, die leere Energiezustände aufweisen, die die Elektronen beim freien Fluss auffüllen. Mott-Isolatoren sind jedoch eine Materialklasse, die aufgrund ihrer Bandstruktur Elektrizität leiten sollte. Aber Messungen zeigen, dass sie sich wie Isolatoren verhalten.

 

Ein Elektron weist nicht mehr Energie auf als die anderen

 

Deren Energiebänder sind nur halb voll, aber aufgrund der starken elektrostatischen Interaktionen zwischen den Elektronen (wie Ladungen mit den gleichen Vorzeichen, die sich abstossen) leitet das Material keine Elektrizität. Das halb volle Band trennt sich im Wesentlichen in zwei winzige, fast flache Bänder, wo die Elektronen ein Band komplett besetzen, das andere unbesetzt lassen und das Material damit wie ein Isolator funktioniert. Jarillo-Herrero: «Das bedeutet, dass alle Elektronen geblockt sind. Es ist aufgrund dieser starken Abstossung zwischen den Elektronen ein Isolator. Nichts kann fliessen. Warum sind Mott-Isolatoren so wichtig? Es zeigt sich, dass die Stammverbindung der meisten Hochtemperatur-Supraleiter ein Mott-Isolator ist.»

 

Für Elektronen bedeutet das, auch wenn sie sich in einem halb vollen Energieband befinden, dass ein Elektron nicht mehr Energie aufweist wie die anderen Elektronen, um sich in dem Band bewegen zu können. Auch wenn eine derart nur halb volle Bandstruktur wie ein Leiter funktionieren sollte, verhält es sich wie ein Isolator – oder genauer gesagt, wie ein Mott-Isolator. Unterstützt wurde dieses Forschungsprojekt durch die Gordon and Betty Moore Foundation und die National Science Foundation. 

 

Infoservice

 

MIT, Massachusetts Institute of Technology

77 Massachusetts Avenue, Cambridge MA 02139-4307, USA

www.mit.edu