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Mikroprozessoren erstmals aus Kohlenstoff-Nanoröhren

Das neue Herstellungsverfahren von Mikroprozessoren aus Kohlenstoff-Nanoröhren nutzt die gleichen Fertigungsprozesse wie bei den üblichen Siliziumchips. Es bietet aber entscheidende Fortschritte in Richtung Computer der nächsten Generation.

Nach Jahren der Bewältigung zahlreicher Design- und Fertigungsherausforderungen haben die Forscher des MIT einen modernen Mikroprozessor mit Transistoren aus Kohlenstoff-Nanoröhren entwickelt, die allgemein als schnellere und umweltfreundlichere Alternative zu ihren traditionellen Silizium-Pendants angesehen werden. Der Mikroprozessor, der in «Nature» beschrieben wird, kann mit traditionellen Herstellungsverfahren für Siliziumchips produziert werden und stellt einen wichtigen Schritt in Richtung einer praktischeren Anwendung von Mikroprozessoren mit Kohlenstoff-Nanoröhren dar.

 

CNEFTs haben etwa zehnfache Energieeffizienz verglichen mit Silizium

Die Herstellung von Feldeffekttransistoren aus Kohlenstoff-Nanoröhren (CNFET) ist somit zu einem wichtigen Ziel für die Realisierung von Computern der nächsten Generation geworden. Die Forschung zeigt, dass CNFETs Eigenschaften haben, die eine etwa zehnfache Energieeffizienz und weitaus höhere Geschwindigkeiten im Vergleich zum Silizium versprechen. Aber wenn diese Transistoren im kleinerem Massstab hergestellt werden, weisen sie oft viele Mängel auf, die die Leistung beeinträchtigen, so dass sie bis heute unpraktisch geblieben sind.

Die MIT-Forscher haben nunmehr neue Techniken entwickelt, um Defekte drastisch zu begrenzen und eine vollständige Funktionskontrolle bei der Herstellung von CNFETs unter Verwendung von Prozessen traditioneller Siliziumchip-Foundries zu erreichen. Sie zeigten einen 16-Bit-Mikroprozessor mit mehr als 14 000 CNFETs, der die gleichen Aufgaben wie kommerzielle Mikroprozessoren erfüllt. Der Bericht in «Nature» erläutert das Mikroprozessordesign und umfasst mehr als 70 Seiten, die den Herstellungsprozess beschreiben.

 

MIT-Mikroprozessor konnte ganzen Befehlssatz ausführen

Der Mikroprozessor basiert auf der OpenSource Chip-Architektur RISC-V, die eine Reihe von Instruktionen enthält, die ein Mikroprozessor ausführen kann. Der Mikroprozessor der MIT-Forscher konnte sogar den gesamten Befehlssatz präzise ausführen. Es wurde auch eine modifizierte Version des klassischen Programms «Hello, World!» ausgeführt; es druckte «Hello, World! Ich bin RV16XNano, hergestellt aus CNTs.»

«Dies ist bei Weitem der fortschrittlichste Chip aus einer aufstrebenden Nanotechnologie, die für ein leistungsstarkes und energieeffizientes Computing vielversprechend ist», sagte Co-Autor Max M. Shulaker, Assistenzprofessor für Elektrotechnik und Informatik (EECS) und Mitglied der Microsystems Technology Laboratories. «Es gibt Grenzen für Silizium. Wenn wir weiterhin Vorteile beim Rechnen erzielen wollen, stellen KohlenstoffNanoröhren einen der vielversprechendsten Wege dar, um diese Grenzen zu überwinden. Der Forschungsbericht erläutert, wie wir Chips mit Kohlenstoff-Nanoröhren herstellen.»

 

Defekte sind ein «Fluch des Feldes»

Der Mikroprozessor basiert auf einer früheren Iteration, die von Shulaker und anderen Forschern vor sechs Jahren entwickelt wurde, die nur 178 CNFETs hatte und mit einem einzigen Bit an Daten funktionierte. Seitdem haben sich Shulaker und seine MIT-Kollegen auf drei spezifische Herausforderungen bei der Herstellung der Elemente konzentriert: Materialfehler, Fertigungsfehler und funktionale Probleme. Hills übernahm den Grossteil des Mikroprozessorentwurfs, während Lau den grössten Teil der Fertigung übernahm.

Seit Jahren sind die den Kohlenstoff-Nanoröhren innewohnenden Defekte ein «Fluch des Feldes», sagte Shulaker. Im Idealfall benötigen CNFETs halbleitende Eigenschaften, um ihre Leitfähigkeit entsprechend den Bit 1 und 0 ein- und auszuschalten. Aber es ist unvermeidlich, dass ein kleiner Teil der Kohlenstoff-Nanoröhren metallisch ist und somit den Transistor verlangsamt oder sogar stoppt. Um gegenüber diesen Ausfällen robust zu sein, benötigen moderne Schaltungen KohlenstoffNanoröhren mit einer Reinheit von etwa 99,999999 %, was heute praktisch nicht produzierbar ist.

Die Forscher entwickelten eine Technik namens DREAM (Design Resiliency against Metallic CNTs), die metallische CNFETs so positioniert, dass sie die Datenverarbeitung nicht stören. Damit lockerten sie das strenge Reinheitsgebot um etwa vier Grössenordnungen – oder 10 000-mal – was bedeutet, dass sie Kohlenstoff-Nanoröhren mit einer Reinheit von nur etwa 99,99 % benötigen, was derzeit bereits möglich ist.

 

Reinheitsgebot liess sich um vier Grössenordnungen lockern

Ein Schaltungsentwurf erfordert im Grunde genommen eine Bibliothek mit verschiedenen Logikgattern, die für Transistoren verwendbar sind und sich kombinieren lassen, um beispielsweise Addierer und Multiplizierer zu erstellen.

Die Forscher stellten fest, dass die metallischen Kohlenstoff-Nanoröhren verschiedene Paarungen dieser Gates unterschiedlich beeinflussen. Eine einzelne metallische KohlenstoffNanoröhre in Gate A kann beispielsweise die Verbindung zwischen A und B unterbrechen. Mehrere metallische Kohlenstoff-Nanoröhren in Gate B können jedoch keine ihrer Verbindungen beeinträchtigen. Im Chipdesign gibt es viele Möglichkeiten, Code in einer Schaltung zu implementieren. Die Forscher führten Simulationen durch, um alle die verschiedenen Gate-Kombinationen zu finden, die robust und nicht robust gegenüber metallischen Kohlenstoff-Nanoröhren sind.

 

Software ignorierte anfällige Versionen

Anschliessend passten sie ein Chip-DesignProgramm an, um automatisch die Kombinationen zu erkennen, die am wenigsten von metallischen Kohlenstoff-Nanoröhren beeinflusst werden. Beim Entwurf eines neuen Chips verwendet das Programm dann nur die robusten Kombinationen und ignoriert die anfälligen Versionen. «Das Wortspiel Träumen ist sehr beabsichtigt, denn es ist die Traumlösung», sagte Shulaker. «Wir können nunmehr Kohlenstoff-Nanoröhren quasi aus dem Regal kaufen, sie auf einen Wafer platzieren und unsere Schaltung einfach wie gewohnt aufbauen, ohne etwas Spezielles zu tun.»

Die CNFET-Fertigung beginnt mit dem Abscheiden von Kohlenstoff-Nanoröhren in einer Lösung auf einem Wafer mit vorgefertigten Transistorarchitekturen. Einige KohlenstoffNanoröhren kleben jedoch zwangsläufig zufällig zusammen und bilden dann grosse Bündel – wie Spaghetti-Stränge, die zu kleinen Kugeln geformt werden – die also eine grosse Partikelkontamination auf dem Chip bilden.

 

Mittel fördert Haftung von Kohlenstoff-Nanoröhren

Um diese Kontamination zu beseitigen, schufen die Forscher RINSE (Removal of Incubated Nanotubes through Selective Exfoliation). Der Wafer wird mit einem Mittel vorbehandelt, das die Haftung von Kohlenstoff-Nanoröhren fördert. Anschliessend wird der Wafer mit einem bestimmten Polymer beschichtet und in ein spezielles Lösungsmittel getaucht. Das spült das Polymer weg, das nur die grossen Bündel mit sich nimmt, während die einzelnen Kohlenstoff-Nanoröhren am Wafer haften bleiben. Die Technik führt auf dem Chip im Vergleich zu ähnlichen Methoden zu einer etwa 250-fachen Reduzierung der Partikeldichte.

Zuletzt beschäftigten sich die Forscher mit allgemeinen funktionellen Problemen der CNFETs. Beim Binärrechnen werden zwei Transistorarten benötigt: «N»-Typen, die mit einem 1-Bit einschalten und mit einem 0-Bit ausschalten, und «P»-Typen, die das Gegenteil bewirken. Traditionell war es schwierig, die beiden Typen aus Kohlenstoff-Nanoröhren herzustellen, was oft zu Transistoren mit unterschiedlicher Performance führte. Für diese Lösung entwickelten die Forscher eine Technik namens MIXED (Metal Interface Engineering Crossed with Electrostatic Doping), die die Transistoren hinsichtlich Funktion und Optimierung präzise einstellt.

 

Eigenschaften der Transistoren lassen sich abstimmen

Bei dieser Technik binden die Forscher bestimmte Metalle an jeden Transistor – Platin oder Titan –, wodurch sie diesen Transistor als P- oder N-Typ fixieren können. Anschliessend beschichten sie die CNFETs in einer Oxidverbindung durch Atomschichtabscheidung, wodurch sie die Eigenschaften der Transistoren für bestimmte Anwendungen abstimmen können.

So benötigen Server beispielsweise oft Transistoren, die sehr schnell arbeiten, aber mehr Energie und Leistung verbrauchen. Wearables und medizinische Implantate hingegen können langsamere Transistoren mit geringer Leistung verwenden. Das Hauptziel ist es, die Chips in die reale Welt zu bringen. Zu diesem Zweck haben die Forscher nun damit begonnen, ihre Fertigungstechniken in einer Siliziumchip-Foundry umzusetzen, und zwar durch ein Programm der «Defense Advanced Research Projects Agency», die diese Forschung unterstützte.

 

Es ist nur noch eine Frage der Zeit

Dies, obwohl heute noch niemand sagen kann, wann Chips, die vollständig aus KohlenstoffNanoröhren hergestellt werden, kommerziell verfügbar sind. Aber Shulaker meinte, dass es weniger als fünf Jahre dauern könnte. «Wir denken, dass es nicht mehr darum geht, ob, sondern wann», sagte er. Die Forschungsarbeit wurde auch von Analog Devices, der National Science Foundation und dem Air Force Research Laboratory finanziell unterstützt.

 

Infoservice

MIT, Massachusetts Institute of Technology

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www.mit.edu