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Das einzig richtige Protokoll gibt es nicht

Die Funkstandards haben sich in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt und sind bereit für den Einzug ins Industrieumfeld. Hier werden sie im Rahmen der Industrie 4.0 auch verstärkt gebraucht. Welches Protokoll sich wofür am besten eignet, beantwortet Bernd Hantsche, Director Product Marketing Embedded & Wireless bei Rutronik.

«DAS Protokoll für die Automatisierung gibt es nicht – je nach Ebene, Grösse des Netzwerks und Distanzen empfiehlt sich ein anderes», so Bernd Hantsche. Auf der Feldebene kommen zunehmend Sensoren und Aktoren zum Einsatz, die auf Energy Harvesting basieren. Sie gewinnen aus Bewegung, Licht oder Wärmeunterschieden genug elektrische Energie, um Datenpakete zuverlässig über kurze Strecken von einigen hundert Metern zu senden. Ein lokaler Energiespeicher garantiert die Funktionalität über Wochen, falls in der Umgebung einmal nicht genug Energie zur Verfügung steht. Um diese Sensoren und Aktoren zu verbinden, eignet sich das Sub-GHz-Protokoll EnOcean sowie Bluetooth 5 und ZigBee 3.0 im 2,4-GHz-Band. Für alle drei Funktechnologien und alle drei Energy-Harvesting-Verfahren bietet EnOcean entsprechende Module an.

 

Klassische Batterie ist bester Kompromiss

Geht es um grössere und komplexere Netzwerke, vor allem auf Basis von nicht-zeitsynchronisierten Maschentopologien, muss jeder Funkknoten ankommende Datenpakete immer sofort empfangen und zeitnah weiterverarbeiten. Hierfür reicht die aus Energy Harvesting gewonnene Energie nicht aus. Stattdessen bieten sich bei stationären Funkknoten verdrahtete Stromquellen an. Für bewegliche Funkknoten ist die Airfuel-Ladetechnik eine interessante Alternative. Den besten Kompromiss für verschiedene Anforderungen stellt meist jedoch die klassische Batterie dar. «Für die Kommunikation eignen sich beispielsweise ZigBee, Thread und ein paar andere Protokolle, die von Anfang an auf eine energieeffiziente Vollmaschenkommunikation ausgelegt waren. Ihnen genügt eine Akkuladung monatelang – im Gegensatz zu WiFi Mesh, das praktisch nicht ohne feste Stromversorgung auskommt», erklärt Hantsche. Bei Lichtsystemen in Lager- und Produktionshallen, Grossraumbüros und Bürokomplexen ist das ungeroutete Bluetooth Mesh dabei, sich als bevorzugtes Protokoll durchzusetzen. Anders als beim üblichen, gezielten Routing der Datenpakete sorgt die Datendurchflutung hier für besonders schnelle Reaktions- und Durchlaufzeiten und erlaubt die Einbindung mobiler Endgeräte in das Netzwerk. «Theoretisch kann Bluetooth Mesh auf jeder Bluetooth-4.0-Hardware aufgesetzt werden. Durch die neueste Preisgestaltung der Bluetooth Special Interest Group ist es allerdings sinnvoller, bei Neuentwicklungen Bluetooth-5- oder -5.1-Hardware zu nutzen», erklärt Hantsche.

 

Weitere Strecken abdecken

Für die Vernetzung in Logistikzentren, Bahnhöfen oder Häfen braucht es Langstreckenfunk. Unter den Technologien, die auf öffentlichen und lizenzfreien ISM-Bändern basieren, hat sich LoRa in den meisten zentraleuropäischen Ländern durchgesetzt. Ausnahme sind vor allem Frankreich und die Niederlande, die überwiegend auf Sigfox setzen. «Seit diesem Jahr kommen allerdings verstärkt die 4GKategorien Cat-M1 und Cat-NB1 – bzw. LTEM1 und LTE-NB1 – zum Einsatz. Dabei hängt es stark von den Mobilfunkanbietern ab, wo welche Technologie genutzt wird», führt Bernd Hantsche weiter aus.

 

Kombination mit Satellitensystemen

Viele LTE-M1-Transceiver kommen – wie die 2G-, 3G- und konventionelle 4G-Module – mit einem integrierten GNSS (Global Navigation Satellite System). Indem sie immer die aktuelle Position ermitteln und über das Mobilfunknetz versenden, zielen sie auf die Positions- und Bewegungsüberwachung von Containern, Fahrzeugen oder anderen hochpreisigen Gütern, Personen oder Tieren ab.

Inzwischen stehen vier GNSS zur Verfügung: das amerikanische GPS, das russische Glonass, das chinesische Beidou und das europäische Galileo, das einzige zivile System in demokratischer Hand.

Trotzdem sind Anwender fast immer am besten beraten, wenn sie möglichst viele Systeme parallel nutzen. Denn umso schneller, energiesparender und präziser arbeiten die meisten Multi-GNSS-Empfänger. Allerdings sollte man auf Veränderungen reagieren können, z.B. wenn ein System ausfällt. Hierfür kann man das in NB1- und M1-Modulen vorhandene Modem nutzen. Bei Anwendungen, die GNSS mit LoRa, Sigfox, WiFi oder Bluetooth nutzen, ist hierfür im Host-Controller eine Zugriffsmöglichkeit auf den Betriebsmodus der GNSS-Einheit zu schaffen.

 

WiFi in der 6. Generation eignet sich sehr gut für die Prozessebene

Auf der Prozessebene geht es im Rahmen der Industrie 4.0 um die Vorverarbeitung der am Sensor gewonnenen Daten. Manchmal werden mehrere parallel ankommende Felddaten mittels Pattern-Matching-Algorithmen verglichen. Für solche und ähnlich rechenintensive Aufgaben werden meist stärkere x86-basierende Systeme genutzt. Um sie sowohl untereinander wie auch in Richtung Systemebene zu verbinden, eignet sich WiFi. Bernd Hantsche: «Die aktuelle 6. Generation ist nochmal schneller als die vorherigen und bietet ein besseres Verbindungsmanagement der Teilnehmer, was für den professionellen Einsatz besonders wichtig ist. Dazu kommt eine bessere Frequenzbelegung hinsichtlich der sich noch entwickelnden 5G-Netze.»

 

Kabel bleiben auf der Systemebene wichtig – noch!

Auf der Systemebene hängt es weitgehend von der Komplexität und den lokalen Gegebenheiten ab, welche Funktechnologie die beste ist. Bei kleineren und dynamischen Unternehmen kann das WiFi 6 sein, bei grösseren eine verkabelte Lösung – noch! Sobald 5G verfügbar und bezahlbar ist, werden auch hier die Kabel zunehmend durch Funk abgelöst. Bei der Kommunikation zwischen verschiedenen Werken sind die Informationen bereits so verdichtet, dass herkömmliches LTE selbst für Grosskonzerne einen ausreichenden Datendurchsatz und Latenzzeiten bietet. Wer seine verkabelte Internetanbindung des Standorts absichern möchte, der kann bereits heute durch einen LTE-Router die für den Betrieb wichtigen Kennzahlen per Mobilfunk übertragen. Telit, Telic und Advantech bieten entsprechende Steckkarten, externe Modems und Router. Sie lassen sich zum Beispiel mit einem Server von Intel oder Asus verbinden und mit einem LTE-Modem von Telit und einer WiFi-6-Karte von Intel ausstatten.

 

Weitere interessante Alternative ist das ANT-Protokoll

Wo weder Verkabelungen noch Energy Harvesting eine Option ist, und selbst sparsame Funkverbindungen wie BLE, Bluetooth Low Energy, die Batterien zu schnell entladen, setzen immer mehr Industrieanwendungen auf das ANT-Protokoll. In Kürze werden erste Time-of-Flight Sensoren für eine hochpräzise Abstandsbestimmung erwartet, die extrem wenig Energie benötigen. ANT (Adaptive Network Topology) ist zudem in den meisten Android-Smartphones ab Werk verfügbar und kann mit Multiprotokoll-SoC-Lösungen den Datenverkehr auch ohne weitere Hardwarekosten in Bluetooth-Netze weiterleiten. Mit ANT BLAZE bietet Garmin sogar eine Vollmaschenvariante an.

ANT konnte sich in den letzten Jahren in Zusammenhang mit den ANT+ genannten standardisierten Anwendungsprofilen für Sport- und Healthcare-Daten besonders im Profiradsport erfolgreich beweisen, z.B. im Starterfeld der Tour-de-France haben mehrere Tausend ANT-Sensoren auf kleinstem Raum reibungslos funktioniert. Von der Bitübertragungsschicht bis zur Sitzungsschicht nutzt man vermehrt ANT auch in der professionellen Industrie, um die Darstellungs- und Anwendungsschicht je nach Anforderung individuell umzusetzen. Für jede Ebene und jede Technologie ist das

 Wireless Competence Center von Rutronik die ideale Anlaufstelle für alle Fragen rund um Funklösungen.

 

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