Polyscope (PS): In welcher Situation befand sich das Unternehmen Hilpert im Sommer 2019, als Sie als CEO die Geschäftsführung übernommen haben?
Raphael Burkart (RB): Die Situation im Sommer 2019 war nicht ganz einfach. Das Unternehmen war in guter Verfassung, hatte ein motiviertes Team, das aus vielen langjährigen Mitarbeitern bestand, die den Schweizer Markt und seine Kunden gut kannten. Auf der Lieferantenseite war Hilpert ebenfalls gut aufgestellt und hatte starke Marken wie ASM, Fritsch, Süss, SET, Asscon und weitere im Portfolio. Es war aber auch auf der anderen Seite deutlich zu erkennen, dass neue Ideen notwendig waren, um den Markt weiterhin frisch und modern anzusprechen. Unsere herausragende Stellung im Markt wollten wir absichern und ausbauen, was in einem kompetitiven Markt nicht unbedingt leicht ist. Als Neuling im Unternehmen hatte ich ein wenig das Gefühl, dass sich Hilpert in seiner Position als Marktführer zu gemütlich eingerichtet hatte. Das Unternehmen war sich seiner Bedeutung im Markt bewusst und das wollten wir aufbrechen. Eine strategische Ausrichtung war nicht unbedingt erkennbar und es fehlte an neuen Ideen und deren rascher Umsetzung. Das war natürlich zu diesem Zeitpunkt jammern auf hohem Niveau, denn das Geschäft lief grundsätzlich gut. Umsatztechnisch steuerten wir auf ein Rekordjahr zu.
PS: Was macht die Schweizer Elektronikfertigung aus Ihrer Sicht so besonders?
RB: Der Schweizer Markt besteht zu einem Grossteil aus vielen Nischenanbietern, die im Bereich Low Volume-High Mix hochqualitative Baugruppen und Endgeräte fertigen. Diese Unternehmen sind hochspezialisiert und haben sich zum Teil auf Einzelbereiche wie Medizintechnik, Automotive, Sensorik oder Gebäudetechnik fokussiert. Viele Elektronikfertiger sind sehr gut ausgestattet und arbeiten mit den neusten Anlagen und Technologien. Ihre Geschäftsbeziehungen sind eng verflochten mit Deutschland und der EU. Viele unserer Kunden arbeiten hochmotiviert mit einem Mix aus «Geht nicht gibt’s nicht»Mentalität, hoher Flexibilität und Kundennähe.
PS: Wie schaffen es Schweizer Elektronikhersteller am Weltmarkt konkurrenzfähig zu sein und wie können Sie hier unterstützen?
RB: Wie gesagt, unsere Kunden sind sehr nahe an ihren Auftraggebern und arbeiten für diese mit einer hohen Flexibilität. Das schafft natürlich eine engen Kundenbindung, wenn ich zu meinem Elektronikfertiger mal eben schnell hinfahren kann. Aber unsere Kunden haben auch eine hohe Innovationsfreudigkeit. Wir alle wissen, dass wir im Bereich der Lohnkosten nur schwer mit anderen Ländern konkurrieren können. Daher gibt es einen hohen Drang zur Automatisierung. Der Gründer von Omron, Kazuma Tateisi, sagte einmal: «Der Maschine gib die Arbeit einer Maschine, dem Menschen die Freude kreativen Schaffens!» Das heisst, dass unsere Kunden offen für neue Technologien und Fertigungsprozesse sind. Aus diesem Grund informieren wir sie zeitnah über Neuigkeiten und weisen auf diese proaktiv hin. So haben wir beispielsweise an der letzten productronica 2019 unseren Kunden angeboten, je nach Interesse für sie individuell geführte Besuche bei den für sie interessanten Lieferanten zu organisieren, was sehr gut angenommen wurde. Daraus entwickelt sich ein partnerschaftlich, ja sogar freundschaftliches Verhältnis zueinander.
PS: Die Branche der Schweizer Elektronikhersteller ist im Vergleich zu anderen europäischen Ländern überschaubar. Mit welchen Massnahmen möchten Sie hier Ihre Vorreiterrollen bei den Anlagenanbietern in der Schweiz verteidigen?
RB: Wir wollen die besten und innovativsten Lieferwerke für unsere Endkunden in der Schweiz vertreten. Das ist eines unserer primären Ziele. Nur so können wir die Innovationsfreudigkeit unserer Kunden unterstützen. Des Weiteren möchten wir unser Personal permanent ausbilden und weiterentwickeln, damit der technischen Entwicklung und Innovationskraft der Lieferwerke Rechnung getragen werden kann. Nur mit einem guten Team und guten Lieferwerken werden wir die zukünftigen Herausforderungen der Integrated Smart Factory beschreiten können. Dabei geht es um Komplettlösungen für die Elektronikfertigung, inklusive Robotik, selbstfahrenden Fahrzeugen, IoT und KI. Mit diesen Themen setzen wir uns heute schon auseinander und sind hier auch auf der Suche nach neuen Lieferanten und Partnern. Das wird auch dazu führen, dass wir unser Produktportfolio noch weiter ausbauen und auf die zukünftigen Anforderungen unserer Kunden ausrichten. Hilpert Robotics ist Realität und wird noch 2020 im Schweizer Markt ankommen. Aber auch unser Dienstleistungsangebot werden wir weiter ausbauen, denn gerade die CoronaKrise wird dazu führen, dass wir zum Beispiel im Bereich der Finanzierungslösungen flexibler sein müssen. Auch hier haben wir Ideen, die wir umsetzen werden. Dazu gehört auch, dass wir uns stärker im Gebrauchtmaschinenmarkt engagieren werden. Und natürlich werden wir ein erweitertes Dienstleistungsangebot im Bereich Schulungen und Trainings anbieten.
PS: Planen Sie einen weiteren Aus- und Umbau des Portfolios?
RB: Ja, das machen wir ständig. In dem Bereich Robotik konnten wir mit Techman Robot ein neues Lieferwerk gewinnen. Wir bieten damit unseren Kunden alles rund um kollaborierende Roboter an. Unser Unternehmen ist ein verlässlicher Partner für diese Lieferwerke, auch wenn es um solche neuen Technologien geht, da wir uns ständig weiterbilden und unsere Mitarbeiter neugierig auf neue Technologien sind. In den Bereichen Prototyping und Inspektionen in der Elektronikfertigung stehen wir ebenfalls kurz davor, neue Vertriebsverträge mit neuen Partnern zu unterzeichnen. Hilpert bietet für diese Lieferanten einen perfekten Marktzugang und der Umgang mit den Lieferanten ist freundschaftlich und partnerschaftlich.
PS: Die Corona-Krise hat für viele Unternehmen jegliche Planungen zu Nichte gemacht. Wo stehen Sie mit dem Unternehmen in dieser aktuellen Krise und was planen Sie, um aus dieser herauszukommen?
RB: Die Situation allgemein ist natürlich schwierig. Aber wir erhalten trotz Krise Bestellungen für neue Anlagen und stehen weiterhin in enger Verbindung mit unseren Kunden. Wir pflegen stets den Draht zum Kunden auch unter erschwerten Bedingungen. Es wird an den angeschobenen Projekten weitergearbeitet. Daher können wir uns auch nicht beklagen. Aber wir nutzen die Zeit auch, um neue Verträge mit neuen Lieferwerken abzuschliessen, das Thema Robotik einzuführen und unseren Kunden neue Dienstleistungen anzubieten. Wir werden stärker denn je nach der Krise sein und ich schaue sehr zuversichtlich in die Zukunft.
PS: Welche Lehren müssen Elektronikfertiger in der Schweiz aus dieser Corona-Krise ziehen?
RB: Die Corona-Krise ist eine Zäsur und ich denke, dass sich einiges verändern wird, wenn wir aus dieser Krise wieder rausgekommen sind. Wir müssen uns wichtige Fragen stellen und darauf auch Antworten finden: Inwieweit sind weltweite Lieferketten immer sinnvoll und wie kommen wir aus den jetzt offensichtlichen Abhängigkeiten heraus? Die Globalisierung kann und soll nicht zurückgebaut werden, aber muss sie nicht massvoller und nachhaltiger sein? Natürlich sind Umsätze, Margen und Gewinne wichtig, aber welchen Preis wir für nicht funktionierende Liefersysteme bezahlen, sehen wir jetzt. Wir lernen gerade, dass dieser Preis zu hoch ist. Daher müssen wir uns wieder auf das Lokale besinnen und wieder mehr in der Schweiz und Europa fertigen. Das heisst auch, kurze Wege, weniger Umweltbelastung durch Logistik, umweltfreundlicher werden mit einem höheren Grad an Automation. «
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