Wegen der anhaltenden Versorgungsschwierigkeiten schliessen viele Hersteller immer wieder spontan ihre Produktionswerke. Die beauftragten Transportunternehmen, die ihr für Linieneinsätze geschultes Personal und das speziell angepasste Equipment nicht kurzfristig anderweitig einsetzen können, werden damit vor vollendete Tatsachen gestellt. Sämtliche Ausfallkosten bleiben unter dem Deckmantel produktionsbedingter Schwankungen bei den Spediteuren hängen.
Bestellungen reduziert oder gar storniert
„Unangekündigte Werksschliessungen und die kurzfristige Verschiebung geplanter Produktionsruhen, wie sie wegen der mangelnden Verfügbarkeit von Halbleitern seit vielen Monaten an der Tagesordnung sind, setzen die Transportwirtschaft massiv unter Druck“, kritisiert Nikolja Grabowski, Vorstand der Europäischer Ladungs-Verbund Internationaler Spediteure AG. Grund für die Versorgungskrise seien zum einen Engpässe bei den Rohstofflieferanten sowie hoher Wettbewerbsdruck der durch vermehrtes Home-Office begünstigten Tech-Branche. „Wir sehen aber auch, dass viele Automobilhersteller wegen coronabedingt stillstehender Fliessbänder ihre Bestellungen reduziert oder teilweise sogar storniert haben. Diese Produktionen können nun nicht ohne weiteres wieder anlaufen“, erklärt Grabowski.
Unlösbare Aufgabe
Das sprunghaft wechselnde Geschäft, insbesondere mit kaum Vorlauf kommunizierte Schliessperioden von nur wenigen Tagen, stellten die betroffenen Fuhrunternehmen vor eine unlösbare Aufgabe: „Die gesamte Transportkette ist eng getaktet und individuell auf den jeweiligen Kunden zugeschnitten, häufig sind kontraktlogistische Dienstleistungen vorgeschaltet“, erläutert Grabowski. Selbst wenn gewollt, könnten spontan freiwerdende Ressourcen in so kurzer Zeit nicht einfach andernorts eingesetzt werden. „Dazu kommt, dass die Fahrzeuge mit speziellen Vorrichtungen für die entsprechenden Vorprodukte ausgerüstet sind. Zudem können die Unternehmen ihr teils extra für solche Aufträge angestelltes und geschultes Personal nicht plötzlich im Fernverkehr einsetzen“, so der ELVIS-Vorstand. Die Folge seien kostspielige Standzeiten der Lastwagen, für die sich die Automobilindustrie offenbar nicht verantwortlich fühle: „Hierbei handelt es sich nicht um erwartbare Produktionsschwankungen, sondern eine deutliche Reduzierung der vertraglich vereinbarten jährlichen Arbeitstage, die Grundlage jeglicher Kalkulationen sind“, sagt Grabowski.
Wirtschaftlich nicht länger tragbar
Wann sich die Lage entspannt, sei derzeit nicht abzusehen. „Viele Experten rechnen damit, dass die Auswirkungen noch 2022 spürbar sind“, erklärt der ELVIS-Vorstand und wirbt um Verständnis für die Lage der Spediteure: „Die Situation ist für viele Transportunternehmen wirtschaftlich nicht länger tragbar. Wir fordern einen Dialog über die Folgen des Vorgehens und eine zumindest anteilige Übernahme der Ausfallkosten durch die Hersteller“, so Grabowski.